128 Erster Teil. Drittes Buch. $ 42,
deutete Stimmeneinhelligkeit im Engeren Rate nur einen überein-
stimmenden Beschluß der 17 Kurien desselben, nicht eine Zu-
stimmung sämtlicher Bundesglieder.
Diejenigen Beschlüsse, welche im Engeren Rate mit Einstimmig-
keit gefaßt wurden, waren demnach immer noch wirkliche
Beschlüsse des Bundes, da sie gegen den Willen einzelner
Mitglieder zustande kommen konnten. Plenarbeschlüsse mit
Stimmeneinhelligkeit hatten dagegen nur die Form von Willens-
&ußerungen des Bundes, materiell waren sie vertragsmäßige
Vereinbarungen der einzelnen Bundesglieder, durch welche die
Grundverträge abgeändert oder ergänzt wurden.
Wenn aber schon die Fortentwicklung des Bundes selbst an
die freiwillige Zustimmung aller Bundesglieder geknüpft war, so
verstand es sich von selbst, daß ein Hinausgehen desselben über
die ihm vertragsmäßig zugewiesene Kompetenzsphäre nicht gegen
den Willen einzelner Mitglieder stattfinden konnte. Unter diesen
Gesichtspunkt fiel die Bestimmung, daß über iura singulorum,
d. h. Rechte, hinsichtlich deren die einzelnen Staaten nicht als
Glieder des Bundes, sondern als selbständige Staaten in Betracht
kamen, mit anderen Worten Rechte, welche von der Kompetenz
des Bundes nicht berührt waren, nur mit Zustimmung der Be-
teiligten Beschlüsse gefaßt werden konnten!®. Hierher gehören
ferner die sogenannten gemeinnützigen Anordnungen,
d. h. Beschlüsse über Einrichtungen, welche nicht unter die an-
erkannten Bundeszwecke fielen, deren übereinstimmende Regelung
aber im Interesse der verbündeten Staaten als wünschenswert er-
schien. Die B. A.!? stellte sie zwar auch als Gegenstände der
Plenarbeschlüsse hin. Aber genau genommen waren sie über-
haupt keine Bundesangelegenheiten. Deshalb behandelte sie die
W.S. A.2% korrekterweise als solche Gegenstände, hinsichtlich
deren die Bundesversammlung sich nur bestreben sollte, eine
freiwillige Vereinbarung unter den Bundesgliedern zustande zu
bringen.
Die Rechte und Pflichten aller Bundesglieder sollten voll-
kommen gleich sein®!. Eine Abweichung von diesem Prinzip
und deshalb eine Auferlegung spezieller Lasten auf ein einzelnes
Bundesglied durfte deshalb nur mit dessen Zustimmung ge-
schehen *%,
ı8 W.S.A. Art. 15. [Begriff und Behandlung der Keligionaangelegen-
heiten und der iura singulorum lehnten sich an das alte Reichsrecht an.
Vgl. J. P. O. Art. V $ 52: „In causis religionis omnibusque aliis negotiis,
ubi Status tanquam unum corpus considerari nequeunt ... . sola amicabilis
compositio lites dirimat, non attenta votorum pluralitate.“ Vgl. oben S. 71, 82
und Zachariä, St.R. 2 297.]
B. A. Art. 6.
© W, S. A. Art, 64.
2ı B.A, Art.3. W.S. A. Art. 2.
2: W,S. A. Art. 15.