Die Zeit des Deutschen Bundes. $ 48. 137
Zur Errichtung eines stehenden Bundesgerichtes, welches, wie
die Reichsgerichte, eine richterliche Instanz für alle unter den
einzelnen Gliedern entstehenden Streitigkeiten gewesen wäre, hatte
man sich bei der Gründung des Bundes nicht entschließen können,
weil man die Existenz eines solchen mit der zugesicherten Souve-
ränetät der Bundesglieder nicht für vereinbar hielt. [Ein solcher
Gerichtshof wäre auch in der Tat eine mehr bundesstaatliche als
staatenbündische Einrichtung gewesen; er hätte in das System der
B.A. und W.S,A. nicht gepaßt.]
Man begnügte sich vielmehr mit der Einrichtung einer
austrägalgerichtlichen, also schiedsrichterlichen
Instanz. Die B. A. bestimmte darüber folgendes: Die Bundes-
glieder dürfen sich unter keinerlei Vorwand bekriegen, noch ihre
Streitigkeiten mit Gewalt verfolgen,. sondern müssen sie bei der
Bundesversammlung anbringen. Letztere hat zunächst eine Ver-
mittlung durch einen Ausschuß zu versuchen und im Fall des
Fehlschlagens derselben eine richterliche Entscheidung durch eine
wohlgeordnete Austrägalinstanz zu bewirken ?, — Gegenstand dieses
austrägalgerichtlichen Verfahrens waren also nur Streitigkeiten
zwischen zwei oder mehreren Bundesstaaten, die zu völkerrecht-
licher Selbsthilfe hätten Veranlassung geben können. Dagegen
gehörten nicht dahin Streitigkeiten, welche das Verhältnis zum
Bunde betrafen, oder Streitigkeiten über Gegenstände, welche der
Staatsgewalt eines Bundesgliedes unterstanden und demgemäß von
den ordentlichen Gerichten desselben zu entscheiden waren. Zweifel
darüber, ob ein Gegenstand sich zur austrägalgerichtlichen Ver-
handlung eignete, entschied die Bundesversammlung. Die Bildung
der Austrägalinstanz ging in folgender Weise vor sich: Der Be-
klagte schlug drei unparteiische Bundesglieder vor; versäumte er
es, so tat es an seiner Stelle die Bundesversammlung. Von diesen
wählte der Kläger eins, und, das oberste Gericht desselben war
das Austrägalgericht. Die Übernahme der Entscheidung war
Bundespflicht. Das Gericht urteilte im Namen und anstatt der
Bundesversammlung. Die Verhandlung sollte im Plenum oder in
einem besonderen Austrägalsenate erfolgen®. Das Verfahren be-
stimmte sich nach der Landesprozeßordnung; das Erkenntnis er-
folgte in Ermangelung besonderer Entscheidungsnormen nach den
in Deutschland hergebrachten gemeinen Rechten. Ordentliche
Rechtsmittel Bogen die Entscheidung waren nicht zulässig, ebenso-
wenig eine Nichtigkeitsbeschwerde*, dagegen restitutio ex capite
novorum. Diese mußte binnen vier Jahren nach dem Zeitpunkt,
in welchem die nova aufgefunden waren, angebracht werden und
® B.A. Art. 11. W.S.A. Art. 21—24. Bundes-Austrägal-Ordnung vom
16. Juni 1817 (G. v. Meyer, Corp. jur. Confoed. Germ. 2 47ff), B. B., das
bei Aufstellung der Bundesausträgalinstanz zu beobachtende Verfahren betr.,
vom 9. August 1820 (G. v. Meyer a. a. O. 111).
s B. B. vom 19. Oktober 1838 (G. v. Meyer a. a. O. 353),
* B. B. vom 25. Juni 1835 (G. v. Meyer a. a. 0. 324).