Full text: Lehrbuch des Deutschen Staatsrechts.

Die Zeit des Deutschen Bundes, $ 58. 145 
schaften und Hundertschaften, gegliedert waren, sowie ferner die 
Städte. Die Könige fingen an, auch Repräsentanten dieser Körper- 
schaften zum Parlamente zu entbieten, zunächst, um Landes- 
beschwerden und Verwaltungsmaßregeln mit ihnen zu beraten, 
später auch, um Steuerbewilligungen von ihnen zu erlangen®. Da 
demnach Städte und Grafschaftsvertreter nur beschränkte Funk- 
tionen hatten, so war es natürlich, daß sie nicht zu allen Ver- 
handlungen des großen Rates hinzugezogen wurden. Sie erkannten 
aber bald die Gemeinsamkeit ihrer Interessen und hielten daher 
gemeinschaftliche Sitzungen. In dieser Weise schied sich (unter 
Edward III., 1327—1377) das Parlament in zwei Häuser: das 
Haus der Barone oder Lords und das Haus der Städte- und 
Grafschaftsvertreter, welche, weil sie Repräsentanten der Kommunal- 
verbände (communitates, communes) waren, commons (Gemeine) 
genannt wurden. Die Gemeinen beanspruchten aber auch das 
Recht, sich um die Verwendung der bewilligten Steuern zu be- 
kümmern, und daraus entwickelte sich die Befugnis, die höheren 
Beamten vor dem Könige im Großen Rate zur Verantwortung zu 
ziehen. Wenn den Landesbeschwerden innerhalb des geltenden 
Rechtes nicht abzuhelfen war, so richteten sie an den König die 
Bitte um eine neue Verordnung. Diese pflegte der König mit 
Zustimmung der Lords zu erlassen. Später wurde es Sitte, der 
Petition einen förmlichen Gesetzesvorschlag (bill) beizufügen, den 
König und Lords bloß zu akzeptieren brauchten. Auch bildete 
sich die Rechtsanschauung aus, daß ein mit Zustimmung der Lords 
und Gemeinen erlassenes Gesetz ohne deren Einwilligung nicht 
wieder aufgehoben werden könne. So entstand aus dem Petitions- 
recht der commons das Mitwirkungsrecht des Parlaments bei der 
Gesetzgebung. 
Mit dem Ende des Mittelalters hatten alle diese Verhältnisse 
eine feste Gestalt gewonnen. Sie dauerten auch während des 
sechzehnten Jahrhunderts fort, wo die Dynastie der Tudors die 
Rechte des Parlamentes formell streng respektierte, wenn auch 
materiell der Einfuß der Krone so weit überwog, daß diese, nicht 
das Parlament als tatsächlicher Träger und Führer des Staats- 
lebens erscheint. Dagegen begannen im siebzehnten Jahrhundert 
die Stuarts einen förmlichen Kampf gegen die Grundlagen der 
Parlamentsverfassung, welche sie durch Anwendung der könig- 
lichen Verordnungs- und Dispensationsgewalt sowie durch an- 
dauernde Nichteinberufung des Parlaments zu untergraben ver- 
suchten. Das Resultat ihrer Bestrebungen war eine vollständige 
Niederlage des Königtums. Nach der endgültigen Vertreibung der 
Stuarts (durch die „glorreiche Revolution“ 1688) wurden in der 
8 Rieß in Histor. Z. 0 1ff. Für die ganze weitere Entwicklung be- 
sonders wichtig war das „Musterparlament König Edwards I. (1295), in 
welchem außer dem hohen Adel und der hohen Geistlichkeit je zwei ge- 
wählte Ritter aus jeder Grafschaft und zwei Vertreter jeder Stadt erschienen. 
Hatschek, Engl. Staatsrecht 1 237; Michael im H.B. d. Pol. 1 379. 
G. Meyer-Anschütz, Deutsches Stasterecht. 1. 7. Aufl. 10
	        
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