Full text: Lehrbuch des Deutschen Staatsrechts.

154 Erster Teil. Drittes Buch, $ 56. 
helms III., das Versprechen der Verordnung vom 22. Mai 1815 
zu erfüllenb, außerordentlich in die Länge. Inzwischen war in 
ganz Deutschland eine reaktionäre Strömung eingetreten. Auf 
en Vorschlag einer unter dem Vorsitz des Kronprinzen (nach- 
maligen Könige Friedrich Wilhelm IV.) gebildeten Kommission © 
wurde der Gedanke der Landesrepräsentation aufgegeben, und es 
kam lediglich zu der Bildung von Provinzialständen. Die Re- 
gelung ihrer Verhältnisse erfolgte durch das allgemeine Gesetz. 
vom 5. Juni 1823 und spezielle Gesetze vom 1. Juli 1823 und 
27. März 1824 für die einzelnen Provinzen. Die Provinzialstände, 
welche auf einer altständischen Gliederung 4 beruhtern, sollten eine 
beratende Stimme bei der Provinzialgesetzgebung und, solange: 
„Reichsstände* nicht eingeführt waren, auch bei gewissen® all- 
gemeinen Gesetzen haben, Bitten und Beschwerden der Provinz 
vorbringen dürfen und die Kommunalangelegenheiten derselben 
verwalten. An die Bildung eines allgemeinen Landtages (einer 
„reichsständischen Versammlung“) aus diesen Provinziallandtagen: 
wurde nicht gedacht. Damit waren selbstverständlich die Ver- 
sprechungen der königlichen Verordnung vom 22, Mai 1815 nicht 
erfüllt. Nach der Thronbesteigung Friedrich Wilhelms IV. wurden 
namentlich in den Provinziallandtagen zahlreiche Stimmen laut, 
welche die Errichtung einer allgemeinen Landesrepräsentation 
fordertenf. Der König dagegen wollte nur einen Ausbau der 
Provinzialverfassungen®. Am 3. Februar 1847 erließ er ein Patent, 
die ständischen Einrichtungen betreffend, begleitet von drei Ver- 
ordnungen über die Bildung des Vereinigten Landtages, die Zu- 
sammenberufung des Vereinigten ständischen Ausschusses und die: 
Bildung der ständischen Deputation für das Staatsschuldenwesen E: 
Diese Gesetze ordneten die Zusammenfassung sämtlicher Provinzial- 
landtage zu einem Vereinigten Landtage an. Derselbe gliederte- 
sich in eine Herrenkurie, welche die Personen mit Viril- 
stimmrecht („Stand der Fürsten, Grafen und Herren“\ und die 
Prinzen des königlichen Hauses umfaßte, und eine Kurie der 
drei Stände, in der die Vertreter der drei Stände (Abgeordnete 
der Ritterschaft mit 231, der Städte mit 182, der Landgemeinden 
b Anschütz a. a. O. 11 ff. 
© Anschütz a. a. OÖ, 16, 17 ff. 
d Virilstimmen des hohen und ihm leichgestellten Adels, gewählte 
Abgeordnete der Ritterschaft, der Städte, des Bauernstandes; vgl. Anschütz 
a. a. V. 18f. 
e Solchen, „welche Veränderungen in Personen- und Eigentumsrechten- 
und in den Steuern zum Gegenstande haben“. Vgl. Anschütz a. a. O. 18, 
Über die Bedeutung dieser Formulierung („Freiheit- und Eigentum“-Formel) 
als Abgrenzung des materiellen Gesetzesbegrifts 8. unten $ 157. 
f Anschütz a. a. O. 21. 
6 Vgl. die Verordnungen vom 21. Juni 1842 über die Einrichtung der 
ständischen Ausschüsse der Provinziallandtage (Preuß. Ges.-Samml. 215); 
dazu v, Treitschke, Deutsche Geschichte 5 181 ff.; v. Roenne-Zorn, Staats- 
recht 1 53 ff.; Anschütz a. a. O. 21 ff. 
8 Anschütz a. a, 0. 23 ff.
	        
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