Full text: Lehrbuch des Deutschen Staatsrechts.

162 . Erster Teil. Drittes Buch. $ 56. 
tober 186327 die Verhängung der Bundesexekution gegen sie be- 
schlossen wurde ®, 
Die beiden mecklenburgischen Großherzogtümer®? 
hatten seit alter Zeit einen gemeinsamen Landtag. Die Ver- 
fassungsverhältnisse waren durch die alte Union von 1523, den 
Assekurationsrevers von 1555, die Reversalen von 1572, den Revers 
und Assekurationsrevers von 1621 und namentlich durch den 
landesgrundgesetzlichen Erbvergleich vom 18. April 1755 geregelt. 
Dazu kam aus diesem Jahrhundert noch die sogenannte Patent- 
verordnung vom 28. November 1817 über die Mittel und Wege, 
um bei streitigen Fällen in Angelegenheiten, welche die Landes- 
verfassung betreffen, zur Entscheidung zu gelangen. Im Jahre 
1848 wurde eine verfassungvereinbarende Versammlung berufen, 
über welche mit dem bisherigen Landtage eine Verständigung, 
wenn auch unter einigen Vorbehalten, zustande gekommen war. 
Mit dieser gelangte man seitens der mecklenburg-schwerinschen, 
dagegen nicht seitens der mecklenburg-strelitzschen Regierung zur 
Feststellung eines Staatsgrundgesetzes, welches für Schwerin am 
10. Oktober 1849 publiziert wurde. Die Ritterschaft erhob darauf 
Klage wegen Verletzung ihrer Rechte; ein auf Grund der Ver- 
ordnung vom 28. November 1817 eingesetztes Schiedsgericht zu 
Freienwalde erklärte das Staatsgrundgesetz für nicht rechts- 
beständig und ordnete die Berufung eines Landtages nach An- 
leitung des landesgrundgesetzlichen Erbvergleiches an®®. Auf 
Grund dieses Schiedsspruches erfolgte die Reaktivierung des 
alten Verfassungszustandes durch großherzogliche Verordnung vom 
14. September 1850. Die neueren Versuche, eine Reform der 
mecklenburgischen Verfassung herbeizuführen, sind ohne Erfolg 
geblieben (vgl. Anm. 29). — An der landständischen Verfassung 
nehmen nicht teil die von Schweden durch den Malmöder Vertrag 
vom 26. Juni 1803 unter dem Vorbehalt der Wiedereinlösung 
921 5. v. Meyer a. a. O. 424. 
#8 Über den weiteren Verlauf der Angelegenheit vgl. 8 60. 
2? v. Treitschke a. a. O. 8 566fl. Die mecklenburgische Verfassungs- 
frage, deren Geschichte und gegenwärtiger Stand, Leipzig 1377; O. Büsing, 
Das Staatsrecht der Großherzogtümer ecklenburg-Schwerin und Mecklen- 
burg-Strelitz, in Marquardsens .d. öffentl. Rechts 12 ff.: P. Sincerus, Von 
der glücklichen mecklenburgischen Verfassung, Berlin 1898 [wertlose Schön- 
färberei]; Sachße, Die landständische Verfässung Mecklenburgs, DJZ. 10 
1073 ff. [kurzer, aber gut orientierender Überb ick] Über die neuesten 
Beformfragen und -verhandlungen vgl. Brückner im J.ÖfE.R. 1 362, 8 493 ff., 
80 Die Rechtsgültigkeit des Schiedsspruches ist mindestens zweifelhaft. 
vel. J. Wiggers, Das Verfassungsrecht im Großherzogtum Mecklenburg- 
Schwerin, Berlin 1860; Die mecklenburgische Verfassungsfrage, Rostoc 
1869. — Eine Verteidigung desselben versucht ©). Piper, Zu den kommissarisch- 
deputatischen Verhandlungen über die Reform unserer Verfassung, Rostock 
1872. — Übrigens bleibt, selbst die Rechtsbeständigkeit des Freienwalder 
Schiedsspruches vorausgesetzt, der mecklenburgische Verfassungszustand ein 
so anomaler, daß die Fortdauer desselben mit der staatsrechtlichen Ent- 
wicklung Deutschlands auf die Dauer nicht vereinbar erscheint.
	        
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