Full text: Lehrbuch des Deutschen Staatsrechts.

Die Gründung des Deutschen Reiches. $ 60. 181 
Plane der Durchführung der Bundesreform festhielt, ja nötigen- 
falls eine separate Ausführung mit Ausschluß Preußens in Aus- 
sicht nahm, so war schon damals die Möglichkeit eines be- 
waffneten Konflikts zwischen den beiden Großmächten sehr nahe 
gerückt. Da gab die plötzlich auftretende schleswig-hol- 
steinische Angelegenheit der Sache vorläufig eine andere 
Wendung'®, | 
Am 15. November 1863 starb König Friedrich VII. von Däne- 
mark und mit ihm erlosch der Mannesstamm Friedrichs III. Das 
Londoner Protokoll vom 8. Mai 185218, welches zwischen 
‚den Großmächten, Dänemark und Schweden vereinbart und von 
einer großen Reihe europäischer Staaten, aber nicht vom Deutschen 
Bunde anerkannt war, hatte die Integrität der dänischen Monarchie 
für ein europäisches Interesse erklärt. Es bestimmte, daß, wenn 
männliche Deszendenz Friedrichs III. nicht vorhanden wäre, der 
Prinz Christian von Schleswig-Holstein-Sonderburg-Glücksburg und 
seine männliche Nachkommenschaft sukzedieren sollte. Auf Grund 
desselben wurde das dänische Thronfolgegesetz vom 31. Juli 1853 
erlassen. Dasselbe war den holsteinischen Ständen allerdings nicht 
vorgelegt worden, lag aber auch außerhalb des verfassungsmäßigen 
Wirkungskreises derselben. Auf Grund dieses Gesetzes nahm 
König Christian IX. von Dänemark als Nachfolger Fried- 
richs VII. die Regierung in den Herzogtümern für sich in An- 
spruch und befand sich mit der Thronbesteigung tatsächlich im 
Besitz derselben. Gleichzeitig trat der Erbprinz von Schles- 
wig-Holstein-Augustenburg, welcher die Rechtsgiltigkeit 
-des Londoner Protokolls und des Thronfolgegesetzes bestritt, ge- 
‚stützt auf sein agnatisches Erbrecht, als Prätendent auf. 
Die Führung der holstein -lauenburgischen Stimme in der 
Bundesversammlung wurde suspendiert !%, die in bezug auf Hol- 
stein beschlossene Exekution jedoch aufrechterhalten!®. Mit 
Vollziehung derselben waren die Regierungen von Sachsen und 
Hannover beauftragt; sie ließen ihre Truppen in das Bundesland 
einrücken, welches von der dänischen Besatzung geräumt wurde. 
Inzwischen hatte Christian IX. am 18. November 1863 eine im 
Reichsrat durchberatene Verfassung sanktioniert, welche die 
vollständige Einverleibung Schleswigs in Dänemark aussprach !®. 
Da der österreichisch-preußische Antrag am Bunde, Dänemark zur 
Zurücknahme dieser Verfassung aufzufordern, abgelehnt wurde!”, 
so sahen sich die beiden Großmächte veranlaßt, die Angelegenheit 
selbständig und gemeinsam weiter zu verfolgen. Sie richteten ein 
Ultimatum an Dänemark, welches die Wiederaufhebung der Ver- 
!%? Zum folgenden vgl. v. Sybel Bd. 8. 
8 Staatsarchiv 6 Nr, 1004. 
14 B.B. vom 23. November 1863 (G. v. Meyer a. a. O. 482 ff.). 
18 B.B. vom 7. Dezember 1868 (a. a. O. 486 ff.). 
18 Staatsarchiv a. a. O. Nr. 1032. 
ıT B.B. vom 14. Januar 1864 (G. v. Meyer a. a. O. 498 ff.).
	        
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