Die Gründung des Deutschen Reiches. $ 61. 183
die Vorlage festzustellen!. Der Bundestag verwies den Antrag in
der Sitzung vom 21. April an einen Ausschuß®, Bei Gelegenheit
der Konstituierung des Ausschusses am 11. Mai gab der preußische
Gesandte nähere Aufklärungen über die Reformabsichten seiner
Regierung. Er bezeichnete die Einführung einer periodischen
Nationalvertretung, Regelung der Bundesgesetzgebung und des Ver-
kehrswesens, Entwicklung des Artikels 18 der B. A., Herstellung
der Freizügigkeit und eines allgemeinen deutschen Heimatsrechtes,
Organisation eines gemeinsamen Schutzes des deutschen Handels
im Auslande, der deutschen Schiffahrt und ihrer Seeflagge, Rege-
lung der Konsularvertretung Gesamtdeutschlands, Gründung einer
deutschen Kriegsmarine und Revision der Bundeskriegsverfassung
als Ziele des preußischen Antrages®, Über die Organisation der
Exekutive und die Bundesoberhauptsfrage wurde eine Erklärung
nicht abgegeben.
Da die Arbeiten des Ausschusses keinen Fortgang nahmen,
sah sich Preußen veranlaßt, in einer Zirkulardepesche vom
10. Juni den deutschen Regierungen Grundzüge einer neuen
Bundesverfassung mit der Bitte mitzuteilen, sich darüber
schlüssig zu machen, ob sie eventuell, wenn in der Zwischenzeit
„bei der drohenden Kriegsgefahr“ die Bundesverhältnisse sich
lösen sollten, einem auf dieser Basis neu zu errichtenden Bunde
beizutreten geneigt sein würden*. Der wesentliche Inhalt dieser
Grundzüge war folgender: Das Bundesgebiet besteht aus den
bisherigen Bundesstaaten mit Ausnahme der österreichischen und
niederländischen Gebietsteile. Die gesetzgebende Gewalt wird von
dem umzugestaltenden Bundestage und einer Nationalvertretung
ausgeübt, die aus Wahlen hervorgeht, welche auf Grund des
Reichswahlgesetzes vom 12. April 1849 vorzunehmen sind. Die
Bundesstaaten bilden ein einheitliches Zoll- und Handelsgebiet.
Der Gesetzgebung und Oberaufsicht des Bundes unterliegt eine
Reihe von näher bezeichneten Angelegenheiten. Die Bundesgewalt
hat das Recht, Krieg zu erklären und Frieden, sowie Bündnisse
und andere Verträge zu schließen, Gesandte zu ernennen und zu
ı Protokolle der deutschen Bundesversammlung vom Jahre 1866 99 ff. ;
Hahn, Zwei Jahre Preußisch-Deutscher Politik 1866/67. Sammlung amt!.
Kundgebungen und halbamtl. Außerungen von der Schleswig-Holsteiuischen
Krisis bis zur Gründung des Zoll-Parlaments (Berlin 1868) 60 ff.; Staats-
archiv 11 Nr. 2268; v. Sybel a. a. O. 4 314f£.; Klöppel, Dreißig Jahre...
2 Protokolle a.a.O. 121. [In einem Rundschreiben der preußischen
Regierung vom 27. April wurde scharf betont, daß der preußische Antrag
zunächst nicht die Aufstellung eines Verfassungsentwurfs, sondern die Be-
rufung eines Parlaments begehre; obne die selbst auferlegte Nötigung, die
in der Festsetzung des Termins für die Eröffnung des Parlaments liege,
würde eine Beratung über die Verfassung sich ergebnislos wie so viele
frühere hinschleppen (v. Sybel a. a. O. 4 329, 330).
® Hahn a. a. O. 69; Staatsarchiv a. a. O. Nr. 2295.
*% Hahn a a. O. 121fl., Staatsarchiv a. a, O. Nr. 2310 u. 2317.