Full text: Lehrbuch des Deutschen Staatsrechts.

184 Erster Teil. Viertes Buch, $ 61. 
empfangen. Die Kriegserklärung hat bei feindlichem Angriff auf 
Bundesgebiet unter allen Umständen zu erfolgen, sonst ist dazu 
die Zustimmung der Souveräne von mindestens zwei Dritteilen 
der Bevölkerung des Bundesgebietes erforderlich. Die Kriegs- 
marine ist eine einheitliche unter preußischem Oberbefehl. Die 
Landarmee wird in zwei Bundesheere: die Nordarmee und die 
Südarmee geteilt; der König von Preußen ist Bundesoberfeldherr 
der Nord-, der König von Bayern Bundesoberfeldherr der Süd- 
armee. Die Beziehungen des Bundes zu den deutschen Landen 
des österreichischen Kaiserstaates werden durch besondere Ver- 
träge geregelt®. 
In, der Sitzung der Bundesversammlung vom 1. Juni 1866 ® 
hatte Österreich die Erklärung abgegeben, daß es die weitere Ent- 
scheidung der schleswig-holsteinischen Frage dem Ermessen des 
Bundes anheimstelle und gleichzeitig angezeigt, daß der Stattbalter 
von Holstein den Auftrag erhalten habe, die holsteinischen Stände 
einzuberufen. Dieses Verfahren sah Preußen als einen Bruch des 
Gasteiner Vertrages an’ und gab seinen Truppen Befehl, Holstein 
wieder zu besetzen. Infolgedessen zogen sich die Österreicher 
nach dem Süden zurück. Österreich stellte nun in der Sitzung 
des Bundestages vom 11. Juni den Antrag, die Mobilmachung 
und kriegsbereite Aufstellung sämtlicher außer- 
preußischen Bundesarmeekorps anzuordnen®. Am 14. Juni? 
erfolgte im Engeren Rate der Bundesversammlung die Abstimmung 
über denselben, ungeachtet des Protestes des preußischen Gesandten, 
der jede geschäftliche Behandlung desselben für bundeswidrig er- 
klärte. Der österreichische Antrag wurde zwar nicht in seinem 
vollen Umfange angenommen, wohl aber die Mobilmachung und 
kriegsbereite Aufstellung aller außerpreußischen und außeröster- 
reichischen Armeekorps beschlossen. Daf ür stimmten Österreich, 
Bayern, Sachsen, Württemberg, Hannover, Kurhessen, Großherzog- 
tum Hessen, die 13. Kurie, in welcher Nassau gegen Braunschweig 
den Ausschlag gab, und die 16. Kurie. In letzterer hatte Schaum- 
burg-Lippe nicht instruiert, Lippe und Waldeck stimmten gegen, 
Reuß &. L und Liechtenstein für den Antrag und Reuß j. L. für 
Verweisung an einen Ausschuß, ein Ergebnis, welches der Gesandte 
als Stimmengleichheit ansah und deshalb auf Grund einer Be- 
stimmung des Kuriatvertrages vom 2. April 1816 sich der Majorität 
8 Die preußischen Grundzüge vom 10. Juni 1866 sind jetzt auch bei 
Binding, Deutsche Staatsgrundgesetze, Heft I (größere Ausgabe, 6. A.) 73 ff. 
abgedruckt, Über ihren Inhalt, insbes. die bevorrechtigte Stellung Preußens 
vgl. Hellmut Richter, Staatsrechtliche Studien über die Verbindung des 
deutschen, Kaisertums mit dem preußischen Königtume (Breslauer Dissert. 
) . 
°6 Staatsarchiv a, a. O. Nr. 2298. 
? Note vom $. Juni 1866 (Staatsarchiv a. a. O. Nr. 2299). 
8 Protokolle a. a. O. 202 ff. 
® Vgl. die Schilderung der Bundestagssitzung von diesem Tage bei 
v. Sybel a. a. 0. 4 M2Ef.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.