190 Erster Teil. Viertes Buch. $ 64.
trag mit der Freien Stadt Frankfurt regelte den Übergang ihres
Vermögens auf den Staat®. Mit Dänemark wurden Verhandlungen
über die Abtretung nordschleswigscher Distrikte geführt; dieselben
ergaben aber kein Resultat, und durch Vertrag mit Österreich vom
11. Oktober 1878 wurde die betreffende Bestimmung des Prager
Friedens außer Gültigkeit gesetzt (oben $ 63 N. 13).
3. Es erfolgte die Gründung des Norddeutschen Bundes.
Am 15. Dezember traten die Bevollmächtigten der zweiundzwanzig
verbündeten Regierungen in Berlin zusammen, um über die seitens
der preußischen Regierung gemachte Verfassungsvorlageb zu be-
sind nach dem Tode des Kurfürsten Verträge mit den Vertretern der Philipps-
thaler Linien vom 13. Dezember 1880 (Preuß. Ges.-Samml. [1881] 142 ff.) und
dem Großherzog von Hessen vom 13. Januar 1881 (a. a. O. 153 ff.) gekommen.
Außerdem ist in Preußen ein Gesetz, betr. das Fideikommißvermögen des
vormals kurfürstlich hessischen Hauses, vom 16. März 1881 erlassen worden.
Das herzoglich schleswig-holsteinische Haus hat eine Schadlosbaltung durch
Gesetz vom 1. April 1883 erhalten.
6 Vertr. vom 26. Febr. 1869. Gesetz vom 5. März 1869.
b Diese Vorlage — „Entwurf einer Verfassung des Norddeutschen
Bundes“ — ist niemals amtlich veröffentlicht worden. Bekannt wurde sie
zuerst, als Haenel in dem ersten Bande seiner Studien zum Deutschen Staats-
recht (1873, S. 270 ff.) ihre Abweichungen von der dem verfassungberatenden
Reichstage gemachten Vorlage angab. Vollständig abgedruckt ist sie zuerst
bei Kittel, Die preußische Hegemonie (1896), sodann in Bindings Größerer
Textausgabe der Reichsverfassung (Staatsgrundgesetze, Heft 1), 6. A. 81ff.
(wo sie als „Entwurf II“ der Nordd. B.V. figuriert, indem Binding die
preuß. Grundzüge vom 10. Juni 1866, oben $ 61 S. 183, 184, als ersten Ent-
wurf der B.V. ansieht).
Über die Entstehung des preuß. Entwurfs vom 15. Dezember 1866 ist
man jetzt besser als noch unlängst, aber doch noch nicht 3o genau unter-
richtet, wie es wünschenswert wäre. Was darüber bekannt ist, findet sich
insbesondere bei v. Sybel a. a. O. 6 25, v. Delbrück, Lebenserinnerungen
2 378 fl., v. Keudell, Fürst und Fürstin Bismarck (1901) 317ff. und — in
sehr eingehender, an neuen Mitteilungen und Gesichtspunkten reicher Dar-
stellung — bei Triepel, Zur Vorgeschichte der Norddeutschen Bundes-
verfassung, in der Festschrift für Gierke (1911) 589 ft.
Daß Bismarck den Entwurf an einem Nachmittage — dem des 13. De-
zember 1866 — aus dem Nichts erschaffen habe, indem er ihn seinem damals
vertrauten Gehilfen Lothar Bucher aus dem Kopfe in die Feder diktierte,
ist, wie Triepel (a. a. ©. 591 ff.) nachweist, Legende. Richtig aber ist, daß
mindestens die grundlegenden Bestimmungen des Entwurfs, und damit die
Grundgedanken der heutigen Reichsverfassung als Bismarcks persönlichstes
Werk, als sein geistiges Eigentum anzusehen sind.
Die Vorarbeiten, welche schließlich zu der Aufstellung des Entw. v.
15. Dezember führten, begannen schon im August 1866. Damals beauftragte
Bismarck Max Duncker (Haym, Das Leben M. Dunckers, 1891, 402), einen
Verfassungsentwurf für den Norddeutschen Bund auszuarbeiten. Derselbe
Auftrag erping — gleichzeitig oder wenig später — an die vortragenden
Räte im Ministerium des Auswärtigen Hepke und Lothar Bucher. Ferner
wurden die beteiligten preußischen Fachministerien ersucht, die erforder-
lichen besonderen Bestimmungen der künftigen Verfassung über Militär,
Marine, Zoll- und Handelswesen, Post- und Eisenbahnwesen zu formulieren:
im Vollzug dieses Ersuchens entstanden die nachmaligen Spezialabschnitte
der norddeutschen B.V. und der R.V. über die gedachten Materien (R.V.
Abschn. VI—XI; der Abschnitt über das Kriegswesen ist von dem Kriegs-
minister v. Roon, der über das Zoll- und Handelswcesen von dem Ministerial-