Die Gründung des Deutschen Reiches $ 69a. 21l
4. Die Besitzungen der Neu-Guinea-Compagnie,
nämlich Kaiser-Wilhelms-Land auf Neu-Guinea, die Inseln im
Bismarck-Archipel und einzelne Inseln der Salomongruppe, welche
seit 1884 unter deutsche Herrschaft gelangt sind.
5. Die Marschall-, Brown- und Providenccinseln,
welche 1885 unter deutschen Schutz gestellt wurden.
Der Rechtstitel, auf welchem die Erwerbung der bisher an-
geführten Gebiete beruht, ist gegenüber den anderen Gliedern der
völkerrechtlichen Gemeinschaft die Besitznahme. Dies muß
deshalb angenommen werden, weil die betreffenden Länder vom
Standpunkte der völkerrechtlichen Gemeinschaft aus herrenlos
waren. Die Verträge mit den einheimischen Häuptlingen (keine
Staatsverträge im Sinne des Völkerrechts) hatten nur die Be-
deutung, gegenüder diesen einen Rechtstitel zu beschaffen und
für das Deutsche Reich ein Vorzugsrecht hinsichtlich der Besitz-
nahme gegenüber anderen zivilisierten Nationen zu begründen.
Nur der ostafrikanische Küstenstreifen, welchen der Sultan von
Zanzibar unter Vermittlung seiner Schutzmacht England an
Deutschland abgetreten hat, ist im Wege vertragsmäßiger
Erwerbung auf das Deutsche Reich übergegangen. Durch Ver-
träge des Reiches mit England, Frankreich und Portugal sind die
Interesseusphären dieser Staaten abgegrenzt, d. h. die Ge-
biete bestimmt worden, innerhalb deren jeder derselben zur Aus-
übung und weiteren Ausbreitung kolonialer Herrschaft befugt sein
soll*. Diese Verträge begründen keinerlei Herrschaftsbefugnisse
der kontrahierenden Staaten, sondern nur die gegenseitige völker-
rechtliche Verpflichtung derselben, sich jedes Eingriffes in die
fremde Interessensphäre zu enthalten,
4 Die Anerkennung der deutschen Schutzherrschaft über Südwest-
afrika seitens Englands erfolgte durch einen Notenaustausch zwischen der
deutschen und der englischen Regierung (vgl. G. Meyer, Staatsr. Stellung
der deutschen Schutzgebiete 12 N. 1); mit Portugal ist über die Abgrenzun
der Interessensphären in Südwestafrika ein Vertrag vom 30. Dezember 188
(Reichsanzeiger 1887 Nr. 163 vom 21. Juli, Deutsche Kolonialzeitung 4 505)
abgeschlossen. Auch in bezug auf das Kamerun- und Togogebiet sind
die Grenzen zwischen dem deutschen und englischen Gebiet zunächst durch
Notenaustausch festgestellt worden (vgl. G. Meyer, Staatsr. Stellung 16);
weitere Abmachungen enthalten die Verträge vom 14. April und 15. November
1893 (Kolonialblatt 4 213 ff., 531 ff... Die Regelung der Beziehungen zu Frank-
reich in bezug auf dieses Gebiet hat durch Protokoll vom 24. Dezember 1885
(rel. G. Meyer, Staatsr. Stellung 17) sowie Verträge vom 4. Februar 1894
(Kolonialblatt 5 159 ff.) und 23. Juli 1897 (Kolonialblatt 8 Beilage zu Nr. 21)
stattgefunden. Für Ostafrika sind maßgebend die Verträge mit Eng-
land vom 29. Oktober, 1. November 1886 (Reichsanzeiger 1886 Nr. 307 vom
3%. Dezember, Deutsche Kolonialzeitung 4 3), 1. Juli 1890 (Kolonialblatt
1 120 ff.) und 8. Juli 1893 (Kolonialblatt 4 870 ff.) und der oben erwähnte
Vertrag mit Portugal vom 30. Dezember 1886, für die australischen
Besitzungen der Notenaustausch mit England vom 25. bzw. 29. April
1885, die Vereinbarung vom 6. April 1886 mit demselben Staate und das
Protokoll mit Frankreich vom 24. Dezember 1885 (vgl. G. Meyer, Staatsr.
Stellung 25, 26).
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