Full text: Lehrbuch des Deutschen Staatsrechts.

Zweiter Teil. Einleitung. $ 72. 231 
Verpflichtung ist mit der Auflösung des Bundes in Wegfall ge- 
kommen, 
2. Landesgesetze dereinzelnen deutschen Staaten. 
Dieselben werden in besonderen Gesetzseammlungen publiziert, 
welche in allen deutschen Staaten seit Anfang des 19. Jahrhunderts 
bestehen. Die für das Staatsrecht wichtigste Art dieser Gesetze 
sind die Grundgesetze oder Verfassungen, 
Von den deutschen Staaten haben noch im Laufe des 19. Jahr- 
hunderts verschiedene dadurch aufgehört zu existieren, daß sie 
einem anderen Staate einverleibt worden sind. Infolge dieser Ein- 
verleibung haben diejenigen Bestimmungen des bisherigen Landes- 
rechts, deren Objekt weggefallen ist, ihre Geltung verloren, also 
namentlich die auf die Organisation der Staatsgewalt bezüglichen 
Vorschriften. Alle tibrigen sind dagegen bestehen geblieben, und 
es hat nur die Staatsgewalt des einverleibenden Staates die Mög- 
lichkeit erhalten, sie auf dem Wege der Gesetzgebung zu be- 
seitigen. Dies gilt namentlich auch hinsichtlich der Verfassungs- 
urkunden®, 
3. Reichsgesetze des jetzigen Deutschen Reiches, 
an ihrer Spitze die Reichsverfassung vom 16. April 1871. Die 
Reichsgesetze sind gemeines deutsches Recht, und zwar, soweit sie 
nicht selbst ein anderes bestimmen, zwingendes, nicht nachgiebiges. 
Sie werden durch das Reichsgesetzblatt publiziert*. Zu den Reichs- 
gesetzen gehören auch die elsaß-lothringischen Landesgesetze; zum 
Behufe ihrer Publikation besteht ein besonderes Gesetzblatt für 
Elsaß-Lothringen®. — Die Gesetze des ehemaligen Norddeutschen 
Bundes erlangten durch den Beitritt der süddeutschen Staaten 
zu demselben nicht ohne weiteres verbindliche Kraft für diese, 
sondern bedurften einer besonderen Einführung. Dieselbe ist teils 
durch die Verträge vom 15., 23. und 25. November 1870 (oben 
S. 206)2, teils durch spezielle Gesetze erfolgt. Ebenso gelten im 
®2 H. Schulze, Einleitung $ 124; Thudichum, Verfassungsrecht 6 ff.; 
Laband, Staatsrecht 1 9; v. Seydel, Komm. zur RV. S15 ff. 
® Die Verfassungen von Hannover, Kurhessen, Nassau, Schleswig- 
Holstein und Frankfurt sind durch Einführung der preußischen Verfassung 
nur insoweit erloschen, als die Bestimmungen derselben durch anderweite 
Bestimmungen der preußischen Verfassung ersetzt sind. Soweit dagegen die 
enannten Verfassungen Gegenstände geregelt haben, auf welche sich die 
orschriften der preußischen Verfassung nicht beziehen, dauert ihre Gültig- 
keit unbeschadet der Einführung der preußischen Verfassung fort. Aber 
sie haben seit dieser Zeit nur noch den Charakter von einfachen Gesetzen. 
Übereinstimmend: v. Rönne, Preuß. Staatsr. (4. A.) 1 50 und v. Rönne-Zorn 
1 185 Anm. 1. Beispiele für Fortgeltungen der angegebenen Art: Ent- 
scheidungen des Preußischen Oberverwaltungsgerichts 9 437, 29 97, 201, 
86 26, 89 107. Vgl. auch Anschütz, Komm. . 
4 RVerf. Art, 2; V., betreffend die Einführung des Bundesgesetzblattes 
für den Norddeutschen Bund, vom 26. Juli 1867 (BGBl. 24). 
® G. f. Elsaß-Lothringen, betreffend die Verkündung der Gesetze und 
Verordnungen, vom 3, Juli 1871. 
s Vgl. die im G., betr. die Verfassung des Deutschen Reiches, vom 
16. April 1871, $ 2, bezeichneten Bestimmungen dieser Verträge.
	        
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