Full text: Lehrbuch des Deutschen Staatsrechts.

2423 Zweiter Teil Erstes Buch, 8 75. 
reichsunmittelbaren Gebiet, welches keiner Einzelstaatsgewalt 
unterworfen ist (so im Falle Elsaß-Lothringen; vgl. oben S. 209, 
unten $ 141). 
2. Die Fähigkeit des Reiches, ohne Zustimmung partikularer 
Faktoren Gebiet an das Ausland abzutreten, ist nicht 
unbeschränkt, Selbstverständlich bedarf es jener Zustimmung 
nicht, wenn es sich um reichsunmittelbare Gebietsteille — Reichs- 
land, Schutzgebiete — handelt: dort besteht keine Einzelstaats- 
gewalt, ist also auch keine legitimiert, der Abtretung zu wider- 
sprechen. Anders, wenn die abzutretende Fläche einem Einzel- 
staate angehört. Hier kann die Abtretung von seiten der Reichs- 
gewalt ohne: und wider den Willen des beteiligten Einzelstaates 
rechtsgültig nur vorgenommen werden in Ausübung einer dem 
Reiche zustehenden Kompetenz, welche das Recht zur Vornahme 
von Gebietszessionen in sich schließt. So ist die dem Reiche durch 
Art. 11 RV. übertragene Kompetenz, Krieg zu führen und Frieden 
zu schließen, undenkbar ohne die Befugnis, nötigenfalls Reichs- 
gebietsteile an das Ausland abzutreten; daher können in Friedens- 
verträgen solche Abtretungen bewirkt werden, ohne daß die Ein- 
willigung des dadurch verkleinerten Einzelstaates erforderlich wärem, 
Il. Die Einzelstaaten können selbständig, ohne Mit- 
wirkung der Reichsgewalt, Gebietserwerbs- und -abtretungs- 
geschäfte nur mit anderen Einzelstaaten, nicht dagegen mit dem 
Auslande abschließen. Nur die Auslands-, nicht die Binnengrenzen 
der Einzelstaaten sind durch RV. Art. 1 reichsverfassungsmäßig 
festgelegt; die Abtretung von Gebietsteilen eines Einzelstaates an 
einen anderen Einzelstaat bedarf der Zustimmung des Reiches 
nicht. Über das Erfordernis dieser Zustimmung bei dem Erwerb 
außerdeutschen Landes durch die Einzelstaaten vgl. unten $ 164. 
Grundsatz ist, daß der Einzelstaat dem Reiche ohne und wider 
dessen Willen Gebiet weder nehmen noch aufdrängen kannn.] 
2. Die Angehörigkeit?. 
8 75. 
Die Bedeutung der Staatsangehörigkeit liegt nicht darin, 
daß sie den einzelnen der Staatsherrschaft unterwirft. Diese Unter- 
werfung ist auch schon beim Ausländer vorhanden, der sich auf 
dem Staatsgebiet aufhält. Sogar ohne Aufenthalt auf dem Ge- 
m Übereinstimmend Laband 1 200, 201 und die dort 201 N. 2 Zitierten. 
a Vgl. Anschütz, Enzykl. 80,-81. 
1 Riedel, Reichsverfassungsurkunde 249 ff.; Theod. Landgraff, Aus- 
führungen zum Reichs- und Staatsangehödrigkeitsgesetze, Ann. Norddeutsch. 
Bundes (1870) 625 ff,; F. v. Martitz, Das Recht der Staatsangehöri keit im 
internationalen Verkehr, Ann.D.R. (1875) 793 ff., 1113f.; M. Seydel, Die 
deutsche Reichs- und Staatsangehörigkeit (ebenda 1876) 135 ff.; Derselbe, 
Zum Gesetze über die Reichs- und Staatsangehörigkeit (ebenda 1888) 577 ff.; 
E. Milner, Studien zum österreichischen Staatsrechte: I. Die österreichische
	        
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