Einleitung. $ 8. 15
Gedanken der selbständigen Persönlichkeit des Staates fest, und
unter ihrem Einfluß kehrte man seit dem sechzehnten Jahrhundert
allgemein wieder zu der Auffassung des Staates als eines selb-
ständigen Rechtssubjektes zurück®. In der heutigen Staatswissen-
schaft darf dieselbe als die für die rechtliche Betrachtung des
Staates maßgebende angesehen werden®?b. Es hat jedoch auch
8 Vertreter derselben im sechzehnten und siebzehnten Jahrhundert sind
z. B. Bodin, De re publica, I,1 u. 1,8; Hugo Grotius, De iure belli ac pacis,
Lib. I cap. 3 8 7 if., welcher die Verschiedenheit der Rechtsstellung des
Staates und des Herrschers klar und richtig entwickelt, und Hobbes, de cive
V, 9. — Eine ausführliche Darstellung der Entwicklung des Begriffes des
[emeinwesene im deutschen Recht gibt Gierke, Genossenschaftsrecht, nament-
ich 2 u.
® Mit voller Sehärfe und Klarheit ist sie im neunzehnten Jahrhundert
zuerst von Albrecht in seiner Besprechung von Maurenbrechers Grundsätzen
des deutschen Staatsrechtes, in den Göttinger gelehrten Anzeigen (1837) 1492 £.
entwickelt worden. [Nicht mit Unrecht meint O. Mayer, Festgabe f. Laband
1 54 von dieser Besprechung, daß sie für die Lehre von der Persönlichkeit
des Stantes geradezu die Bedeutung einer symbolischen Schrift habe. Vgl.
über Albrecht auch Bernatzik Arch.Öff.R. 5 246 ff. Vgl. außerdem namentlich
v. Gerber, St.R. Beilage II, Die Persönlichkeit des Staates 225 ff.; Jellinek,
Gesetz und Verordnung 192 ff., System 28 ff. und besonders Staatsl. 148—174;
Bernatzik, Arch.Off.R. 5 169 ff.; v. Treitschke, Politik 1 25; Laband, St.R,
1 56fl.,;, Haenel, St.R. 1 81ff.; Hübler, Organis. der Verwaltung (1898), 1;
Anschütz, Enzyklop. 10f.; Schmidt, Allgem. Staatsl. 1 225, 226; Seidler,
Jurist. Kriterium des Staates 55 ff. Auch Rehm steht in sciner Allg. Staats-
lebre 150 ff. auf dem Boden dieser herrschenden Persönlichkeitstheorie (mit
der sich aber die einseitig dynastischen, halb patrimonialen Anschauungen,
welche seine späteren Schriften — die staatsrechtliche Stellung des Hauses
Wittelsbach zu Bayern (1901), 18; Modernes Fürstenrecht (194), 7 ff. (vgl.
jedoch Arch ÖER. 25 393 ff.) — kennzeichnen, schwer vereinbaren lassen
ürften).
b Anders in Frankreich, wo eg gegenwärtig Mode zu sein scheint, den
Begriff der juristischen Person überhaupt zum alten Eisen zu werfen. (Duguit,
de Vareilles-Sommieres, Le Fur; näheres bei O. Mayer, Die juristische
Person und ihre Verwertbarkeit im öffentlichen Recht, in der Festgabe für
Laband 4 ff... Damit ist dann natürlich auch die Lehre von der Persönlich-
keit des Staates erledigt. Wissenschaftlich weiterzukommen ist mit diesem
Pseudorealismus, der nur das als vorhanden betrachten will, was sich mit
Händen greifen läßt und die juristischen Personen mit der Wendung abtut,
sie seien Personen „qui n’existent pas“, nicht. Ohne mit den Franzosen,
über deren Theorien er berichtet, durchweg übereinzustimmen, gelangt auch
O. Mayer a. a. O. 11ff. zur Verwerfung der Persönlichkeitslehre. Der Be-
Brit der jur. Person passe nur auf die dem Staatswillen unterworfenen Wesen,
ereine, Stiftungen usw., denen der Staat durch seine Rechtsordnung die
Eigenschaft als jur. Person aufprägte. „Der Staat ist der Simson, den man
vergeblich zu binden sucht mit den Stricken der juristischen Persönlichkeit“
(67). Vergeblich gewiß, wenn er sich nicht binden lassen will. Daß er es
ill, muß im Gegensatz zu OÖ. Mayer mit allem Nachdruck behauptet werden.
Der Staat will gebunden sein durch die Stricke nicht sowohl der „juristischen
Persönlichkeit“ als vielmehr der Rechtsordnung, durch deren Willen
allein freilich die juristische Person etwas ist. Der Staat stellt sich unter
das Recht; er will unter anderem betrachtet und behandelt sein als ein
Etwas, welches im Rechtssinne wollen und handeln kann. Ein solches Etwas
aber fällt unter den Gattungsbegriff der Person. Die „deutschen Professoren“,
welche, nach dem ironischen Ausdrucke O, Mayers (8. 59) „den Staat zur
juristischen Person ernannt haben“, erfüllten in folgerichtiger Anwendung