Die Organe. $ 84. >71
Drgan desselben, welches gegenüber den Untertanen nicht bloß
Rechte, sondern auch Pflichten hatte. Diese Entwicklung wurde
dadurch unterstützt, daß das Reich sich zur Erfüllung staatlicher
Aufgaben mehr und mehr unfähig erwies und alle politische Tätig-
keit ausschließlich den Territorien zufiel.e Im achtzehnten Jahr-
hundert war der Umbildungsprozeß in allen größeren deutschen
Territorien vollzogen. Namentlich hatten die Hohenzollern in
Brandenburg-Preußen den Staatsgedanken in energischer Weise
zur Geltung gebracht®. Auch die späteren Reichspublizisten be-
trachteten die Landeshoheit allgemein als eine obrigkeitliche Ge-
walt, welche zum Besten der Untertanen gehandhabt werden sollte“.
Von den kleineren Territorien hatten sich freilich viele diesen
Grundsätzen verschlossen. Aber durch die Auflösung des Deutschen
Reiches und die sich daran knüpfenden Ereignisse verloren sie zum
großen Teile ihre Existenz. Die wenigen, welche übrig blieben,
sahen sich mehr und mehr genötigt, dem Beispiel der größeren
Staaten zu folgen, Durch die Einführung konstitutioneller Ver-
fassungen im Laufe des vorigen Jahrhunderts hat die Entwicklung
ihren vollständigen Abschluß erreicht. Nach heutigem Staatsrecht
steht der Monarch nicht über, sondern in dem Staate;
er ist nicht Beherrscher, sondern Organ desselben®,
® Dem Gedanken, daß der Monarch lediglich ein Organ des Staates ist
und für dessen Zwecke tätig zu sein hat, gibt auch der bekannte Ausspruch
Friedrichs des Großen Ausdruck: Te Souverain, bien loin d’&tre le
maitre absolu des peuples qui sont sous sa domination n’en est que le premier
magistrat“ (Antimachiavel chap. I.) ygl Rehm, Allgem, Staatal. 231 ff.;
Jellinek, Staatsl. 658; Anschütz, Enzykl. 128.
* Vgl. namentlich Pütter, „Von der Bestimmung, welche die Landes-
hoheit mit jeder anderen höchsten Gewalt gemein hat, daß sie nur zur ge-
meinen Wohlfahrt stattfindet“. Beiträge zum deutschen Staats- und Fürsten-
recht 171.
5 Übereinstimmend mit besonders scharfer Betonung des Gedankens der
Örganschaft im Staat: Jellinek, System 147 ff., Staatsl. 656 ff.; Anschütz.
Enzykl. 122ff.; Hatschek, Allgem. Staatsr. 1 55; neuerdings (im Gegensatz
zu seinen früheren Schriften, vgl. unten S. 281 Anm, 4) auch Rehm, Arch.Off.R,
25 394 ff., Die juristische Persönlichkeit der standesherrlichen Familie (1911) 23;
v. Frisch, Der Thronverzicht 73 ff. Dagegen meint v. Martitz, Die Monarchie
als Staatsform 27 ff., daß jener Gedanke nicht ausreiche, um die Monarchie
als Staatsform zu begreifen. Der König sei vor allem „Herrscher“, und
diese Eigenschaft erst bilde „die Grundlage seiner sich als Regierung zu-
sammenfassenden Organfunktionen“. — Das Richtige ist wohl, dabei zu
bleiben, daß der moderne Monarch Staatsorgan, nichts sonst, ist. Freilich
ist seine organschaftliche Stellung im Staate eine so dominierende, einzig-
artige, daß die Bezeichnung „Herrscher“ für ihren Träger gut gewählt und
zutreffend erscheint.
Das Hauptverdienst um die Erfassung und Verbreitung des Gedankens,.
daß die Stellung des Monarchen ÖOrganschaft im Staate sei, muß immer
wieder (vgl. schon frühere Würdigungen: Bernatzik im Arch.Off.R. 5 246;
Jellinek, $ stem 144; Schücking, Der Srant und die Agnaten [Jena 1%2] 16;
Rehm, Modernes Fürstenrecht 1; Hatschek, Allgem. Staatsr. 1 55) Albrecht
zugeschrieben werden: 8. dessen in den Götting. gelehrten Anzeigen (1887)
1. S erschienene Rezension von Maurenbrechers Staatsrecht (vgl. oben
3 N. 9).