Die Organe, $ 84, 275
und Unverletzlichkeit!® zu. Erstere Bezeichnung hat keinerlei
juristische Bedeutung, letztere besagt ein Doppeltes. Zunächst, daß
die Integrität des Monarchen durch besondere Strafgesetze geschützt
wird!%. Sodann, daß er von keiner Macht im Staate zur Rechen-
schaft gezogen werden darfb. In diesem Sinne ist Unverletzlich-
keit gleichbedeutend mit Unverantwortlichkeit. Der Monarch
ist unverantwortlich, weil er als Träger der Staatsgewalt keiner
Gerichtsbarkeit eines anderen Organes unterworfen sein kann, Die
Unverantwortlichkeit erstreckt sich sowohl auf die Regierungs-
akte des Monarchen als auf diejenigen Handlungen, welche
er als Privatmann vornimmt.
In letzterer Beziehung gilt jedoch das Prinzip nur nach der
strafrechtlichen, nicht nach der zivilrechtlichen Seite
hin. Der Monarch kann für keine seiner Handlungen eine Be-
strafung erleiden. Dagegen steht er in bezug auf vermögensrecht-
liche Streitigkeiten vor den Gerichten seines Landes zu Recht!”,
15 Preuß. Verf. Art. 43, Bayr. Verf. Titel II $ 1, Sächs, Verf. $ 4, Württ.
Verf. $ 4, Bad. Verf. $ 5, Hess. Verf. Art. 4, S.-Alt. GG. $ 4, S.-Kob. StGG.
21, Braunschw. N. LO. $ 3, Old. StGG. Art. 4 $ 3, Schw.-Sond. LGG. $ 4
chw.-Rud. GG. $ 2, Reuß j. L. V.-G. vom 20. Juni 1856 $ 5, Wald. Verf.
$ 3, Schaumb.-Lipp. Verf. Art. 5, Reuß ä. L, Verf. $ 3.
18 StGB. 8$ 80, 81, 94, 95, 98, 99.
b Nicht aber besagt sie, daß die Gesetze des Staates für den Monarchen
nicht gelten, daß er kein „Unrecht tun kann“. „Die Person des Fürsten ist
unverletzlich“ ist keineswegs gleichbedeutend mit „Princeps legibus solutus“,
Es ist also nicht richtig, wenn Zorn im Archiv f. Rechts- und Wirtschafts-
hilosophie 2 173behauptet, durch Art.48 der preuß. Verf.-Urk. (die Proklamation
er „Unverletzlichkeit“) sei „die überrechtliche Stellung des Königs aner-
kannt“. Art. 43 und seine Parallelstellen in anderen Verfassungen eximieren
den Monarchen nicht vom Recht, allerdings aber von den Zwangsmitteln des
Rechts. Die lex ist auch dem Monarchen gegenüber lex, aber lex imperfecta,
Wenn der Monarch jemanden vorsätzlich verletzt oder tötet, so kann er
dieserhalb zwar nicht bestraft werden, die Handlung ist und bleibt aber
nichtsdestoweniger rechtswidrig: Teilnahme daran würde strafbar, Notwehr
straflos sein. Richtig Frank, StrGB. (8.—10. Aufl.) 32, gegenüber abweichenden
Auffassungen in der strafrechtlichen Literatur. Der Monarch untersteht also
den Strafrechtsnormen; ebenso auch z. B., sofern sie nicht selbst ein anderes
bestimmen, den Steuergesetzen. Vgl. Anschütz, Die Steuerfreiheit der
deutschen Fürsten, DJZ. 18 657 ff£.; Jellinek, Der Kampf des alten mit dem
neuen Recht, Ausgew. Schriften (1911) 1 420 Anm. 20; O. Mayer, Sächs.
Staatsrecht 75. Wer die einfachen Gesetze vor der Person des Monarchen
Halt machen läßt, für den ist, allgemein wie er seine Behauptung hinstellt,
überhaupt keine rechtliche Bindung des Monarchen möglich, vor allem nicht
an das Staatsgrundgesetz, die Verfassung. Richtig Jellinek, a. a. O. 420.
In der Grundauffassung abweichend Kelsen, Hauptprobleme der Staatsrechts-
lehre 687 ff.
17 Dieser Grundsatz war in einzelnen Staaten schon früher durch die
Landesgesetzgebung ausgesprochen, so namentlich in Preußen (ALR. Einl,
$ 80) und Bayern (Poezl, Bayrisches Verfassungsrecht ($ 152) 402 N. 12). In
einzelnen Ländern bestanden aber auch abweichende Grundsätze, so nament-
lich in Württemberg (v. Sarwey, Württembergisches Staatsrecht 1 79; Göz,
Württembergisches Staatsrecht 72) und Hessen (v. Calker, Hess. Staater. 32),
Durch das EG. zur ZPO.$ 5 ist bestimmt, daß bei Verfolgung vermögens-
rechtlicher Ansprüche Dritter gegen den Landesherrn die Zulässigkeit
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