278 Zweiter Teil Zweites Buch. $ 84.
Notwendig ist die Gegenzeichnung auch bei der Ernennung von
Ministern ?? und bei Akten des freien monarchischen Eirmessens,
wie inbesondere bei Auszeichnungen ??® (Verleihung von Titeln,
Orden, Adelsprädikaten) und bei Begnadigungen °*.]
kann indessen nicht festgehalten werden, nachdem v. Marschall a. a. O. 125 ff.,
217 f£., 315 ff. sie in eingehenden und überzeugenden Ausführungen widerlegt
hat. Vol. auch Anschütz, Enzykl. 112, 126. Die ministerielle Verantwort-
lichkeit erstreckt sich auch auf dieses Gebiet der monarchischen Tätigkeit.
Freilich ist zu beachten, daß militärische Befehle von den — zu unbe-
dingtem Gehorsam verpflichteten — Personen des Soldatenstandes auch
bei mangelnder Gegenzeichnung befolgt werden müssen, die Gegenzeichnung
also auch hier, und gerade hier, nicht Voraussetzung der „Gültigkeit“ ist.
Vgl. v. Marschall a. a. O. 371 ff.
22 v, Gerber, St.R. ($ 33) 102 N. 2 meint, die Anstelluug von Ministern
müsse ohne Kontrasignatur zulässig sein, weil der Monarch, wenn das ab-
tretende Ministerium die Mitwirkung bei der Berufung neuer Minister ver-
sage, in die Unmöglichkeit versetzt sei, solche zu ernennen. Ähnlich auch
Opitz, Sächsisches Staatsrecht 1 166 und Schwartz, Preußische Verfassungs-
urkunde 128. Diese Behauptung trifft jedoch nicht zu, indem in einem
solchen Falle die neuen Minister selbst ihre Ernennung kontrasignieren.
Auch Zöpfl, St.R. ($ 406) 2 423 u. 424 hält bei der Ernennung von Ministern
eine Kontrasignatur nicht für erforderlich, weil dadurch eine Gesetz- oder
Verfassungswidrigkeit nicht begangen werden könne. Dies ist nicht richtig.
Wenn der Monarch eine nicht anstellungsfähige Person z. B. eine Person,
die infolge einer Ministeranklage zur Amtsentsetzung und zur Unfähigkeit,
ein ähnliches Amt wieder zu bekleiden, verurteilt ist, zum Minister ernennte,
so wäre das unzweifelhaft eine Gesetzwidrigkeit. Übereinstimmend: v. Rönne,
Preußisches Staatsrecht ($ 99) 1 432; Seydel-Piloty, Bayrisches Staatsrecht
1 337; v. Kirchenheim, Lehrbuch des deutschen Staatsrechts 235 N. 1; Bornhak,
Preußisches Staatsrecht 1 492; A. Michel, Der Umfang des Erfordernisses
ministerieller Gegenzeichnung nach bayrischem Recht (München 1896) 35 ff. ;
v. Frisch a. a. O. 340; Brie in v. Stengels Wörterbuch des deutschen Ver-
waltungsrechts 2 448; der aber die Gegenzeichnung durch den neuantretenden
Minister selbst für unzulässig hält. |[v. Marschall a. a. ©. 537, 538 (vgl. auch
509 E) fordert die Gegenzeichnung auch für Ministerernennungen, hält jedoch
die ohne Gegenzeichnung (z. B. mündlich) erfolgte Ernennung für gültig, —
seiner Grundauffassung (oben Anm, c) entsprechend und mit der besonderen
Begründung, daß der Mangel der Kontrasignatur durch die Zustimmung
des Ernannten zu seiner Ernennung geheilt werde. Bedenken hiergegen:
O. Mayer, Arch.Öff.R. 28 355. — In einigen deutschen Staaten (Oldenburg,
Schaumburg-Lippe, Waldeck) sind die Ministerernennungen von dem Er-
fordernis der Kontrasignatur ausdrücklich befreit; vgl. die Angaben bei
v. Marschall a. a. O. 509, Anm, 2041.]
33 Vgl. oben S. 274 und Anm. a,
** In der älteren Literatur war die Meinung vertreten, daß eine
ministerielle Verantwortlichkeit bei Begnadigungen nicht bestände. So
namentlich R. v. Mohl, Württembergisches Staatsrecht $ 37, der meinte,
die Kontrasignatur habe in diesem Falle nur den Zweck, die Gewißheit des
königlichen Willens und die königliche Unterschrift zu beglaubigen. Dieser
Auffassung hatte sich v. Rönne, Preußisches Staatsrecht s eg, angeschlossen,
der aber in der 4. Aufl. seines Werkes 1 ($ 96) die Ansicht aufgegeben hat,
Die neueren Schriftsteller haben sich dagegen ganz allgemein für ministerielle
Verantwortlichkeit und demgemäß für die Notwendigkeit einer Gegenzeich-
nung ausgesprochen: Binding, Handbuch des deutschen Strafrechts 1 879;
H. Seuffert in v. Stengels Wörterbuch 1 153; Delaquis in v. Stengel-Fleisch-
manns Wörterbuch 1 375; E. Richter im Arch.Öf.R. 5 563; Schwartz, Preuß.
Verfassungsurkunde 142; E. Loening in DJZ. 1 429ff.; Hübler, Organisation