Full text: Lehrbuch des Deutschen Staatsrechts.

282 Zweiter Teil, Zweites Buch. $ 86. 
Verfassungen getreten. Diese müssen jetzt als in erster Linie 
maßgebend angesehen werden. Die Vorschriften der Hausgesetze 
haben nur insoweit eine rechtliche Bedeutung, als sie sich inner- 
halb der verfassungsmäßigen Schranken bewegen d. h. als sie 
durch die Verfassung ausdrücklich oder stillschweigend aufrecht- 
erhalten sind und den Bestimmungen der Verfassung — z. B. dem 
Grundsatz der Unteilbarkeit des Staates; vgl. unten $ 90 Anm. 3 — 
nicht zuwiderlaufen. 
Häuser (1871). Die Hausgesetze der jetzt regierenden Häuser hat H. Schulze, 
Die Hausgesetze der regierenden deutschen Fürstenhäuser, 3 Bde., Jena 
1862—83, erausgegeben. Die Hausgesetze aus dem vorigen Jahrhundert 
sind in der Regel in der Gesetzsammlung des betreffenden Staates publiziert. 
Zu ihnen gehören: Kön. Bayr. Familienstatut vom 5. August 1819; Kön. 
Sächs. Hausg. vom 30. Dez. 1837, publ. durch V. vom 9. Febr. 1838, Nach- 
trag vom 20. Aug. 1879 und 13. April 1888; Kön. Württ. Hausges. vom 8. Juni 
1828; Groß. Bad. Haus- und Familienstatut vom 4. Okt. 1817; Herz. S.-Kob.- 
Goth. Hausges. vom 1. März 1855, Nachtrag vom 29. Febr. 1896; Fürstl. 
Wald. Hausges. vom 22. April 1857, V., betr. die Aufhebung des $ 51 des 
fürstlichen Hausges., vom 15. Nov. 1890; Großh. Mecklenb.-Schwerinsches 
Hausges. vom 23. Juni 1821, dem Strelitz am 12. Sept. und 16. Okt. 1821 
beigetreten ist, Zusatzverordnung vom 15. Okt. 1872. Die Hausgesetze‘ bung 
der regierenden Fürstenhäuser ist durch Art. 57 des EG. zum BGB. aus- 
drücklich vorbehalten worden; die Bestimmungen des letzteren gelten für 
die Mitglieder der regierenden Familien nur insoweit, als nicht Landes- und 
Hausgesetze etwas anderes bestimmen. [Über das Verhältnis der beiden 
artikularen Rechtsquellen „Landesgesetz” und „Hausgesetz“ zueinander 
bestimmt Art. 57 des EG. zum BGB. nichts, es läßt hierüber das Landes- 
staatsrecht entscheiden. Im Gegensatz hierzu will Rehm, Staatsrechtliche 
Stellung des Hauses Wittelsbach 16 und, mit ausführlicher Begründung, 
Modernes Fürstenrecht 64 ff. in dem Art. 57 a. a. O. die „reichsrechtliche 
Anerkennung der Unentziehbarkeit“ scil. der Agnatenrechte sehen und aus 
dem Art. den Rechtssatz herauslesen: „Die Hausverfassungen können durch 
Landesgesetz überhaupt nicht abgeändert werden“ (Mod. Fürstenrecht 70). 
Gegen diese Behauptung, mit der Zorn in seiner Bearbeitung des v. Rönneschen 
Staatsrechts der preuß. Monarchie 2 21 sich einverstanden erklärt, ist schon 
von Schücking, Der Staat und die Agnaten 45, 46 mit Recht eingewendet 
worden, daß das Sonderrecht der ausverfassungen“ durch Art. 57 nur 
gegenüber den Vorschriften des BGB. aufrechterhalten werden will, nicht 
aber gegenüber partikularen Quellen, z. B. den Landesverfassungen. Dem 
ist hinzuzufügen: Es ist im höchsten Grade unwahrscheinlich und daher, bis 
nicht bessere und überzeugendere Gründe als die von Rehm a. a. O. 72ff. 
aus den Motiven zu Art. 57 hergeleiteten beigebracht werden, nicht anzu- 
nehmen, daß der Gesetzgeber des BGB. und des EG., der überall sonst sich 
mit einer Sorgfalt sondergleichen hütet, die Grenze zwischen Privat- und 
öffentlichem Recht zu überspringen, hier, ganz gelegentlich, ohne gebotenen 
Anlaß und sozusagen unter der Hand in eine eminent öffentlich-rechtliche, 
staatsrechtliche Frage hat eingreifen, die Freiheit der partikularen Ver- 
fassungsgesetzgebung in zwei so fundamental wichtigen Punkten, wie es 
das Verhältnis von Staat und Dynastie und die rechtliche Natur der Thron- 
folgeordnung sind, hat beschränken, vielmehr aufheben wollen. Es heißt 
die Tragweite des Art. 57 in jedem Sinne verkennen und überschätzen, 
wenn man darin ein amtliches Bekenntnis der Reichsgewalt zugunsten des 
allerneuesten Legitimismus erblicken will. Gegen Rehm: Jellinek, Der 
Kampf des alten mit dem neuen Recht (1907, Originalausgabe) 28 Anm. 15; 
Affolter in Ann.D.R. (1905) 55%; Anschütz, Preuß. Verf. 1 119; Abraham, 
Der Thronverzicht (1906) 25 Anm. 3.)
	        
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