Full text: Lehrbuch des Deutschen Staatsrechts.

Die Organe. $ 86. 285 
doch ganz einig sind, daß sie von den modernen Gedanken der Staats- 
souveränetät und der Vereinigung aller Rechtanetzungsmacht in der Staats- 
gewalt wenig, von den Grundprinzipien des alten Patrimonialstaates aber 
um so mehr halten. — Manchen von den hier genannten Schriften wird 
man kaum Unrecht tun, wenn man ihr wissenschaftliches Schwergewicht 
nicht allzu hoch anschlägt, denen nämlich, die den Charakter von Rechts- 
gutachten, also doch schließlich von Parteischriftsätzen haben. Hier ist der 
ebotene Eifer, der vertretenen Sache — es handelt sich dabei überall um 
die Wahrung der agnatischen Sukzessionsansprüche des Hauses Schaumburg- 
Lippe gegenüber der Ip eschen Landesgesetzgebung — erfolgreich zu dienen, 
bei Beurteilung von chauptungen und Begründungen entsprechend zu be- 
rücksichtigen. Dies gilt z. B. von den Ausführungen Kohlers im Arch.Üf.R. 
18 434 ff. und von dem Gutachten Kekules v. Stradonitz, worüber v. Seydel, 
Staatsrechtl. und politische Abhandl. (1902) 194 ff. kritisch referiert, — ob 
auch von den Arbeiten Arndts (Können Rechte der Agnaten usw., 8. oben 
& 85 N. 4) und Stoerks (Die apnatische Thronfolge im Fürstentum Lippe, 
Berlin 1903), bleibe dahingestellt. — In den Schriften Arndts und Kekules 
spielt das Gottesgnadentum” die Rolle eines Glaubens, den man haben 
muß, um den Gedanken der Verfasser zu folgen und ihren Ergebnissen 
zuzustimmen. Hiergegen hatte schon die 5. Aufl., N. 3 zu diesem Para- 
graphen, das kräftige Wort „völlig nichtssagend“; andere urteilen nicht 
milder: vgl. Jellinek, Staatsl. 173f.; Seydel a. a. O. 1% ff.; Schücking, Der 
Staat u. die Agnaten 18 ff. und in seiner Schrift Die Nichtigkeit der 'I'hron- 
ansprüche des Grafen Alexander v. Welsburg (1905) 42; Kulisch im Arch.ÖfE.R. 
15 603; Bornhak, Preuß. Staatsr. 1 171ff., in Ann.D.R. (1904) 62, 412 ff.; Rehm, 
Modernes Fürstenrecht 8ff. In der Tat wird man jenes „frommen“ Tones 
allgemach satt. Er verfehlt den Eindruck nicht nur auf den „modernen“ 
Menschen (vgl. Arndt a. a. O. 38), sondern, worin Kulisch a. a. 0. 603 völlig 
beizustimmen ist, auch auf den „unmodernen“, wofern dieser nur juristisc 
denken kann und will. — Gegen Arndt ist hier noch zu bemerken, daß er 
die Ausführungen der 5. Aufl. gänzlich mißversteht, Es ist G. Meyer in 
diesem Paragraphen und sonst gar nicht eingefallen, zu behaupten — wie 
Arndt a. a. O. 16 meint —, „daß eine Anderung der Thronfolgeordnung in 
Preußen nur unter Zustimmung der Agnaten und durch hinzutretendes Staats- 
esetz geändert werden kann“ (sic.! „Anderung“ — „geändert werden‘). 
ieser Versuch des durch einen Lesefehler irregeführten Arndt, G. Meyer 
zum Genossen seiner Ansicht zu stempeln, ist gründlich gescheitert; vgl. 
auch Schücking a. a. O. 33. Im übrigen findet auf die Amdtsche Schrift, 
und ganz besonders auf sie, Anwendung, was G. Meyer in N. 3 zu diesem 
Paragraphen gegen Gerbers unglücklichen Gedanken, die Fortbildung des 
Thronfolgerechts durch die Staatsgesetzgebung als „Willkür“ zu bezeichnen, 
einwendet. Die ganze Schrift Arndts ist .eine Herabwürdigun der kon- 
stitutionellen Legislative, wobei aber leicht einzusehen ist, Sa8 die er- 
hobenen Vorwürfe nicht diese Legislative treffen, wie sie ist, sondern das 
Zerrbild, welches Arndt aus ibr macht. Seit wann ist nämlich der „Gesetz- 
geber” im deutschen Einzelstaat identisch mit dem Landtag? Die Krone 
at bei den „Willkürakten“ der konstitutionellen Staatsgesetzgebung doch 
woh] auch mitzureden, so zu sagen. Wer hat denn behauptet, daß der 
weimarische Landtag Gesetze erlassen könne“, daß die „Stände von 
Lippe zum Nachteile Bestehender Sukzessiongrechte Verfügungen treffen“ 
dürfen, daß den deutschen Landtagen die Befugnis zustehe, „über die Thron- 
folge zu verfügen“ (vgl. Arndt 34, 35, 41)? Auf was für eine Kategorie 
von Lesern diese und andere Ausführungen (z. B. S. 29, 41: vom Standpunkt 
der Gegner aus sei unerfindlich, wenn die Thronfolge „in so eingehender 
Weise“ durch die Verfassungen geregelt und dem Gesetzgeber nicht viel- 
mehr vorbehalten sei, im Throncrledigungsfall „sich den Besten und Ge- 
eignetsten herauszusuchen“) berechnet sind, war nicht zu ermitteln. Gegen 
Arndt vgl. Jellinek, Kampf des alten m. d. neuen Recht, Ausgew. Schriften 
1424 Anm. 21, ferner Schücking a. a. O. und in seiner Schrift Die Nichtigkeit 
der Thronansprüche des Grafen Alex. v. Welsburg in Oldenburg (1905) 40 ff.;
	        
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