292 Zweiter Teil. Zweites Buch. $ 88.
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Die Thronfolge ist in Deutschland eine agnatische Erb-
folge; es besteht ein Vorzug des Mannsstammes, d h. der
von Männern abstammenden Männer vor dem Weibsstamme,
d.h. den Weibern und den von Weibern abstammenden Männern!.
In einigen Fürstenhäusern hat das Sukzessionsrecht des Manns-
stammes einen ausschließlichen Charakter, so daß jede Erbfolge
der Kognaten ausgeschlossen bleibt®, in anderen tritt nach Aus-
sterben des gesamten Mannsstammes eine eventuelle kognatische
Sukzession ein® Wo ausdrückliche Bestimmungen der Ver-
fassungen oder neueren Hausgesetze über diesen Gegenstand nicht
existieren, muß zur Entscheidung der Frage, ob ein eventuelles
Erbrecht der Kognaten besteht, auf das ältere Recht des be-
treffenden Fürstenhauses zurückgegangen werden*; bei früheren
Reichsleben spricht jedenfalls die Vermutung gegen die kogna-
tische Sukzession.
In denjenigen Familien, in welchen die eventuelle Thronfolge-
berechtigung der Kognaten anerkannt ist, war es früher üblich,
seitens der Prinzessinnen des Hauses, namentlich bei ihrer Ver-
ı Th. Adamczyk, Das eventuelle Thronfolgerecht der weiblichen Linie
im deutschen Staatsrecht, Breslau 1896; F. Adam, Das Thronfolgerecht der
Kognaten nach heutigem deutschen Landesstaatsrecht, Sondershausen 1897;
Eisenlohr, Die Thronfolgerechte der Kognaten in Baden (Heidelb. Diss.), 1905.
2 Preuß. Verf. Art.53. „Die Krone ist den königlichen Hausgesetzen ge-
mäß erblich in dem Mannesstamme des königlichen Hauses nach dem Rechte
der Erstgeburt und der agnatischen Linealfolge.“ Diese Bestimmung wird
mit Recht von den meisten Schriftstellern als Ausschluß der kognatischen
Sukzession aufgefaßt. H. A. Zachariä, St.R. ($ 66) 1 350 N. 6; Grotefend,
St.R. $ 3898 N. 6; H. Schulze, Preußisches Staatsrecht $ 57, Hausgesetze
8 624 fl.; v. Rönne, Preußisches Staatsrecht ($ 39) 1 168; Zorn in der 5. Aufl.
dess. ($ 13) 1 222; E. Meier in v. Holtzendorffs Rechtslexikon 8 884; v. Kirchen-
heim, Lehrbuch des deutschen Staatsrechts 193; Bornhak, Preuß, Staatsr.
1 179; Graßmann, Arch.Öff.R. 6 498; Arndt, Komm, z. preuß. VU., Anm. 2
zu Art. 53; Schwartz, Preuß. Verfassungsurk. 15; Adam a. a. O. 175;
Adamczyk a. a. O..81 f; Anschütz, Enzykl. 130 und Anm, 2; Rehm,. Mod.
Fürstenr, 52, 285. — Anderer Ansicht: Heffter, Sonderrechte 5 120; Held,
Verf.-R. ($ 343) 2 260; Ostrogorski, Die Frau im öffentlichen Recht, über-
setzt von Franziska Steinitz (Leipzig 1897) 11, weil die Kognaten nicht
ausdrücklich ausgeschlossen seien. Da aber nach deutschem Staatsrecht
für das Erbrecht der Kognaten keinerlei Vermutung spricht, so kann die
bloße Nichterwähnung derselben nicht als Einräumung des Sukzessions-
rechtes an sie angesehen werden. S.-Alt. GG. $ 13, S.-Kob,.-Goth. Hausges,
Art.5, Old. StGG. Art. 17 u. Verf.-G. vom 19. Okt. 1904, Reuß ä.L. Verf. 83,
Reuß j. L. Verf.-G. vom 20. Juni 1856 $ 8, Mecklenb. Hausges. $ 6.
8 Bayr. Verf. Tit. II 3$ 4-5, Sächs. Verf. $8 6 u. 7, Württ. Verf. $ 7,
Bad. Haus- und Familienstat. $ 3, Hess, Verf. Art. 5 nebst Verf.-G. vom
26. März 1902 Art. 11, S.-Mein. Verf.-G. vom 9. März 1896 Art. 2, Wald.
Verf. $ 15, Schaumb.-Lipp. Verf. Art. 3, Schwarzb.-Rud. Verf.-G. vom 1. Juni
1896 Art. 2, Schwarzb.-Sond. LGG. $ 10 u. Verf.-G. vom 14. Aug. 1896. Für
Lippe: Test. Simons VI. von 1597 N. 8 (H. Schulze, Hausges, $ 157). Doch
stehen nach den Bestimmungen der bayrischen und sächsischen Verfassung
die Kognaten hinter den Erbverbrüderten zurück.
* Vgl. die oben Anm, 1 angegebene Schrift von Eisenlohr 19 ff.