Die Organe. $ 89. 295
Hinsichtlich der Form der Eheschließung gelten für
die Mitglieder der fürstlichen Familien die gewöhnlichen Grund-
sätze des Zivilrechtes. Der Abschluß der Ehe kann demnach
jetzt rechtsgültig nur vor dem zuständigen Standesbeamten er-
folgen®. Die früher zulässige Stellvertretung der Verlobten ist,
soweit sie observanzmäßig war, auch bei der Willenserklärung vor
dem Standesbeamten aufrechterhalten worden. Über die Not-
wendigkeit und die Formen des Aufgebotes entscheidet ebenfalls
das Herkommen. Die Ernennung der Standesbeamten für die
fürstlichen Familien und die Bestimmung über die Art der Führung
und Aufbewahrung der Standesregister erfolgt durch Anordnung
des Landesherrn®. Durch die Einführung der Zivilehe hat auch
die Frage, ob ein protestantischer Landesherr eine sogenannte
Gewissensehe, d. h. eine ganz formlose Ehe, schließen könne),
ihre Erledigung gefunden.
In bezug auf die materiellen Erfordernisse der Ehe-
schließung sind ebenfalls die Vorschriften des Zivilrechtes als
maßgebend zu erachten. Dies gilt namentlich auch hinsichtlich
der Einwilligung der Eltern zu der Ehe®,
Außerdem bestehen aber nach Hausgesetzen, Verfassungen und
Gewohnheitsrecht noch besondere Voraussetzungen für die
Ehen der Mitglieder fürstlicher Familien, von deren Vorhandensein
die Erzeugung sukzessionsfähiger Deszendenz abhängig ist. Diese
sind: die Einwilligung des Monarchen zu der betreffenden Ehe
und die Ebenbürtigkeit derselben.
Das Erfordernis der Einwilligung des Monarchen ver-
steht sich nicht von selbst’; die Einwilligung ist daher nur da
Heffter, Sonderrechte $ 77; v. Gerber, Deutsches Privatrecht $ 274 N. 4;
Beseler, Deutsches Privatrecht $ 169; Stobbe, Deutsches Privatrecht 1 Ra
Seydel-Piloty, Bayrisches Staatsrecht 1 94. — Anderer Ansicht: Zöpf, St.R.
($ 235) 1 655.
® RG. über die Beurkundung des Personenstandes und die Ehe-
schließung vom 6. Febr. 1875, $$ 41 u. 42. BGB. $$ 1317, 1318. Rehm
a. a. 0. 100.
* RG. vom 6. Febr. 1875 $ 72.
5 Sie wurde meistens bejaht, H. A. Zachariä, St.R. ($ 67) 1 352; Zöpfl,
St.R. ($ 219) 1 606; Held, Verf.-R. ($ 328) 2 230; Grotefend, St.R. $ 391, ist
aber richtiger zu vermeinen, H. Schulze, Preußisches Staatsrecht $ 57; Heffter,
Sonderrechte $8$ 56 u, 57.
6 RG. über die Beurkundung des Personenstandes usw. $$ 29 u. 36.
BGB. $$ 1305, 1307, 1308. Vgl. über diese und sonstige Einzelfragen der
Materie Rehm a. 2.0. 210 ff.
TH. A. Zachariä, St.R. ($ 63) 1 355; Zöpfl, St.R. ($ 217) 1 598; Held,
System ı$ 329) 2 232; Grotefend, St.R. $ 394; H. Schulze, Lehrb. des deutschen
Staatsrechts ($ 95) 1 216 ff.; Kahl, Ebenbürtigkeit und Thronfolgerecht der
Grafen zu Lippe-Biesterfeld (1896) 76; Triepel, Streit um die Thronfolge in
Lippe 76; Rehm, Mod. Fürstenr. 180; Anschütz, Enzykl. 130; Schücking,
Nichtigkeit der Thronansprüche usw. 95. And. M. Stoerk, Agnat. Thron-
folge 55 [verschweigt die nicht unerbebliche Tatsache, daß er mit seiner
Meinung allein steht].