302 Zweiter Teil. Zweites Buch. $ 89.
liche und geistige Fähigkeit des Berechtigten gefordert,
während nach den meisten neueren Verfassungen die Regierung
auch im Falle einer solchen Unfähigkeit übergeht und nur die
Ausübung der Regierungsrechte statt durch den Monarchen, durch
einen Regenten erfolgt?®. Selbst die eigentümliche Bestimmung
der württembergischen Verfassung’, nach welcher der König sich
zu einer der;christlichen Kirchen bekennen muß, ist nicht so zu
verstehen, daß der zum Throne Berufene in Ermangelung dieses
Erfordernisses als sukzessionsunfähig zu betrachten sei?®. Endlich
wurde es bisher stets als selbstverständlich oder, wenn man will,
als ein mit dem Prinzip der Erbmonarchie notwendig verbundenes
Übel angesehen, daßsittlicheUnwürdigkeitkein Sukzessions-
hindernis bilde ®®,
26 Vgl ; 92. — Den Ausschluß unheilbar Geisteskranker von der Re-
ierungsnachfolge will Hancke, Regentschaft und Stellvertretung 14 und den
usschluß aller regierungsunfähigen Personen Pagenstecher a. a. O. 76 als
einen Grundsatz des gemeinen Rechts da aufrechterhalten, wo nicht die Ver-
fassung etwas anderes bestimmt. [Zugegeben, daß dieser Ausschluß früher
gemeinrechtlich, d. h. nicht nur gemäß c. VII und XXV der Goldenen Bulle
für die Kurfürstentümer, sondern für alle Länder gegolten hat, so kann er
heute jedenfalls nur noch ausnahmsweise, d. h. da in Kraft stehen, wo nicht
für den Fall der Regierungsunfähigkeit des Monarchen die Einsetzung einer
Regentschaft angeordnet ist. Eine dahingehende Anordnung enthalten aber
die Verfassungen der meisten Staaten; eben dadurch ist der Satz des älteren
Staatsrechts und der Goldenen Bulle, daß der regierungsunfähige Erst-
geborene durch den regierungsfähigen Zweitgeborenen von der Sukzession
ausgeschlossen werden soll, aufgehoben. So insbesondere in Preußen und den
anderen Königreichen. Für Bayern behauptet das Gegenteil Bloch in der Jur.
Wochenschr. 42 238 ff., 901 ff., 970, jedoch mit Unrecht, wie von Wassermann,
das, 353ff.; Menner, das. 534 ff., 966 ff.; Anschütz in der DJZ. 18 (1913) 1234
dargetan worden ist. Die Blochsche Ansicht wird auch von der bayrischen
Staatsregierung abgelehnt; vgl. das im bayrischen Justizministerium aus-
earbeitete Gutachten über die gesetzliche Regelung der Thronfolge für den
all der dauernden Regierungsunfähigkeit des zunächst zur Thronfolge Be-
zgchtigten (zuerst in der Bayr. Staatszeitung, 13. Okt. 1913, dann in Hirths
Ann. 1918 808 ff. veröffentlicht), Vgl. auch Rehm, Mod. Fürstenr. 183 Anm. 1;
Baumann, Seit wann schließt in Deutschland Regierungsunfähigkeit von der
Thronfolge nicht mehr aus? (Erlang. Diss., 1909) sowie Anschütz, Enzykl. 131.
Staaten, in denen jene älteren Normen noch gelten, der geisteskranke primo-
enitus also im Thronerledigungsfalle nicht auf den Thron gelangt, sondern
übergangen wird, sind Baden und Braunschweig. Für Baden liegt ein
wichtiger und interessanter Präzedenzfall vor (Thronwechsel von 1852; vgl.
darüber Walz, Bad. Staatsr. 43, 47; Bloch a. a. O. 42 235 f., 903 ff). Über
Braunschweig vgl. Rhamm, Braunschw. Staatsr. 14, 15.]
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28 Fricker a. a. O. 226; Göz, Württemb, Staatsr. 66, 67: Derselbe, Die
Verf.-Urk. f. das Kor. Württemberg 20; Anschütz, Enzykl. 131; And. M. v. Mohl,
Württ. Staatsr. 1 178; v.Sarwey, Württ. Staatsr. 1 50; v. Frisch, Thronverzicht
87, 88; Rehm a.a.O. 183, 184: „wer König (von Württemb.) geworden ist, kann
die Krone nur behalten, wenn er zum christlichen Glauben übertritt“. — Über
ähnliche Fragen nach österreichischem Staatsrecht vgl. Jellinek, Der Einfluß des
Religionsbekenntnisses auf das Thronfolgerecht in der öst.-ungar. Monarchie
(Heidelb. Festg. 1899 für E. J. Bekker); über Bestimmungen ausländischer Ver-
fassungen betr. das Religionsbekenntnis des Monarchen: v. Frisch a. a. O. 87ff.
2° And. M. Rehm, Mod. Fürstenr. 881: Wohl aber tritt kraft Reichs-
gesetzes Verlust der Thronfolgefähigkeit wider Willen ein bei Verurteilung