Full text: Lehrbuch des Deutschen Staatsrechts.

Die Organe, $ 91. 307 
geborene muß, sofern sie den für die Abstammung vorgeschriebenen 
Erfordernissen entspricht, für sukzessionsfähig erachtet werden. 
Sie gelangt jedoch erst nach der Linie des durch den Verzicht 
zum Throne Berufenen zur Sukzession *. 
Der Verzicht auf die Thronfolge kann auch schon vor Antritt 
der Regierung ausgesprochen werden. [Auch dieser sog. Thron- 
anwartschaftsverzicht ist, wie der Thronverzicht i. e. S., 
sofort (nicht erst bei Anfall der Krone) wirksam und für den 
Verzichtenden unwiderruflich. Auch er vernichtet nicht die 
Sukzessionsfähigkeit des Verzichtenden, sondern nur die ihm bis 
dahin zustehende Anwartschaft: der Verzichtende gibt seinen Platz 
in der Prätendentenreihe auf, verliert ihn an seinen nächsten Hinter- 
mann und steht nunmehr am Ende der Reihed, Auch er be- 
schränkt sich in seinen Wirkungen lediglich auf die Person des 
Verzichtenden. Selbst die nach dem Verzicht geborene Deszendenz 
des Verzichtenden muß als sukzessionsfähig angesehen werden. Doch 
kann sie nur den Platz beanspruchen, der sich aus der Position 
ihres Vaters zur Zeit ihrer Geburt (am Ende der Reihe) ergibt®.] 
* Übereinstimmend: H. Schulze, Preuß. Staatsrecht $ 74, Lehrb. des 
deutschen Staatsrechts ($ 115 a) 1 275; Serdel-Filo , Bayr. Staatsrecht 1 100; 
Seidler, Studien 66; Göz, Württemberg. Staatsr. 67. Dieser Grundsatz muß 
deshalb aufgestellt werden, weil die Sukzessionsordnung in den deutschen 
Fürstenhäusern eine Linealerbfolge ist, welche eine Unterbrechung der 
Linie nicht gestattet. Die Behauptung Frickers, Z.Staats.W. 81 205, 206 und 
265, daß die Thronsukzessionsordnung ihrem Wesen nach nur vorwärts, nicht 
rückwärts schreiten könne, ist in dieser Allgemeinheit nicht richtig. Sie 
würde zur Folge haben, daß die Deszendenz des Entsagenden überhaupt nicht 
zur Sukzession gelangte, daß also Personen, welche alle für das Sukzessions- 
recht vorgeschriebenen Erfordernisse besitzen, ihr Recht nicht geltend machen 
könnten, weil sie durch die Sukzessionsordnung nicht gerufen würden, 
e And. M. die Voraufl. 275, früber auch Anschütz, Enzykl. 6. Aufl. 574 
(nunmehr aber, das. 7. Aufl. 133, wie der jetzige Text), ferner Re Mod. 
Fürstenr. 401 ff, der den Verzicht vor Anfall der Krone gleichfalls für zu- 
lässig und wirksam, wenngleich für widerruflich erklärt; ebenso auch v. Frisch 
a. a. 0. 109. Nach Binding, Thronfolge der Kognaten in Luxemburg 20, 21 
und Triepel, Streit um die Thronfolge im Fürstentum Lippe 107 ist ein 
Thronverzicht vor Anfall „nicht freigegeben“, m. a. W. unzulässig und 
wirkungslos, Dieser Ansicht folgt auch Abraham a.a. 0. 104, 105. Seidler 
a. a. O. 65 hält den Thronanwartschaftsverzicht für zulässig, aber nur für 
obligatorisch (zum Thronverzicht im Momente des Thronanfalls) verpflichtend. 
Vgl. Abraham a. a. ©. 102, 103. Über Rechtskraft und Form des Verzichts 
vgl. Rehm a. a. O. 88 47, 48. 
d Anschütz, Enzykl. 1383. , 
6 [And. M. die Voraufl. 275. Wie der jetzige Text Anschütz, Enzyklop. 
133. v. Gerber, Grundzüge Ö 29) 92 N. 8 will die nach der Entsagung ge- 
borene Deszendenz von der Thronfolge ausschließen, weil durch den Verzicht 
die Kette mit dem Ahnherrn unterbrochen sei. Ebenso Fricker a. a. O. 
(oben N. 4). Aber die Grundlage der Berechtigung zur Thronfolge ist nicht 
das noch vorhandene Sukzessionsrecht der Aszendenten, sondern die Ver- 
fassung und die Gesetze des Landes. Diese knüpfen den Anspruch auf die 
Thronfolge lediglich an die Abstammung vom ersten Erwerber, welche durch 
den Verzicht eines Zwischengliedes auf die ihm zustehenden Rechte nicht 
beseitigt wird. Auch ist der früher wohl geltend gemachte Gesichtspunkt, daß 
durch den Verzicht von den übrigen Agnaten des Hauses Rechte erworben 
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