Full text: Lehrbuch des Deutschen Staatsrechts.

Die Organe. $ 92. 313 
Regent ist nach den Grundsätzen des älteren Rechtes der- 
jenige volljährige regierungsfähige Agnat, welcher der Krone am 
Derselbe, Ztschr. für Rechtspfl. im Herzogt. Braunschweig 57 129 ff.; Francke 
im Arch.ÖfE.R. 17 473 ff.; Rehm, Mod. Fürstenr. 302, 422 ff., 438; Trieps, Das 
braunschweig. Regentschaftsges. v. 16. Febr. 1879 in seiner staatsrechtl. Be- 
deutung a1 ); W. Klank, Die braunschw. Thronfolge (1910), sowie die oben 
N. 1a,E. zitierten Schriften von Graf Bernstorff und Werbrun. — Das Ge- 
setz vom 16. Februar 1879 (Ergänzungsgesetze dazu vom 12. Februar 1886 
und vom 4, Dezember 1902) ist laut $ 1 ergangen, „um bei künftig ein- 
tretenden Thronerledigungen die verfassungsmäßige Verwaltung des Herzog- 
tums gegen Störungen in den Fällen zu sichern, daß der erbberechtigte 
Thronfolger am sofortigen Regierungsantritte irgendwie behindert sein sollte.“ 
Liegt nach Ansicht des Staatsministeriums ein solcher Fall vor, so beruft es 
den Regentschaftsrat ($ 2 d. G.), welcher nach Maßgabe des $ 4 d. G. die 
Landesregierung übernimmt und führt. Diese provisorische Regierung hört 
auf, wenn der sie veranlassende Fall des „Behindertseins“ entweder behoben 
ist oder aber ein Jahr lang unverändert fortbesteht. Alsdann nämlich, d.h. 
bei unverändertem Fortbestehen, wählt die Landesversammlung (der Land- 
tag) aus den volljährigen, nicht regierenden Prinzen der deutschen Fürsten- 
häuser auf Vorschlag des Regentschaftsrats einen Regenten ($ 6 d. G.). 
Während der Dauer dieser Regentschaft ist und bleibt der „behinderte“ 
Landesherr von allen seinen verfassungsmäßigen Rechten, insbesondere 
auch von den Ehren- und Vermögensrechten ausgeschlossen. In Gemäßheit 
dieser Bestimmungen ist 1884/85, nach dem Tode des Herzogs Wilhelm von 
Braunschweig, verfahren, insbesondere am 21. Okt. 1885 Prinz Albrecht von 
Preußen und nach dessen Tode (1906) am 28. Mai 1907 Herzog Johann 
Albrecht zu Mecklenburg zum Regenten gewählt worden. Nachdem am 
27. Okt. 1913 der Bundesrat auf Antrag Preußens sich dahin ausgesprochen 
hatte, daß die früher (Bundesratsbeschlüsse v. 2, Juli 1885 und 28. Febr. 1907) 
angenommene Behinderung des Hauses Cumberland an der Regierung in 
Braunschweig nicht mehr vorliege, stand dem Abschluß der Regentschaft 
nichts mehr im Wege. Der Chef des genannten Hauses verzichtete auf den 
braunschweigischen Thron, und sein ältester Sohn, Herzog Ernst August, trat 
alsbald die Regierung in Braunschweig an. Über das Ende der braunschw. 
Regentschaft vgl. Rehm und Smend, DJZ. 18 1345 ff., 1347 ff. 
Daß das braunschw. G. v. 16. Febr. 1879, so wie es zu verstehen ist 
und gehandhabt wird, eine „staatsrechtliche Neubildung“ enthält, ist deutlich. 
Das Neue im Vergleich mit dem sonst in Deutschland geltenden Recht liegt 
aber nicht darin, daß überhaupt keine Regentschaft, sondern ein „Inter- 
regnum“, eine „neue Form der Zwischenherrschaft“ eingeführt werden sollte 
(wie Haenel nach Kulemann a. a. O. 526, 527, Rehm a. a. O. 422, 423 u. a. 
meinen), auch nicht darin, daß die braunschweigische Regentschaft 1884—1913 
eine von Reichgwegen angeordnete war (so ganz grundlos Rehm 302 ff., 423, 
mit Bezug auf den Bundesratsbeschluß vom 2. Juli 1885, der doch nach 
dem G. v. 16. Febr. 1879 und dem Beginn seiner Ausführung erging und 
im übrigen gar nicht kompetent war, um die Landesgesetzgebung, die hier 
aus eigener Machtvollkommenheit vorgegangen war, zu der von ihr ver- 
fügten faktischen Depossedierung des Landesherrn nachträglich zu er- 
mächtigen), sondern darin, daß einerseits ein vollkommen regierungs- 
fähiger, jedoch aus reichs- und staatspolitischen Gründen nicht genehmer 
Monarch regentschaftlich vertreten bzw. ersetzt wurde — und daß andrer- 
seits die Suspendierung der diesem Monarchen verfassungsmäßig zu- 
stehenden Rechte sich auf deren vollen Umfang, einschließlich der Ver- 
mögens- und auch Ehrenrechte, erstreckte, der Art, daß dem Herzog 
von Cumberland, obwohl er Landesherr war, dennoch keines der monar- 
chischen Ehrenrechte (Titulatur, Recht auf den erhöhten strafrechtlichen 
Schutz, auf die üblichen Ehrenbezeugungen, auf Kirchengebet usw.) zu- 
gestanden wurde.)
	        
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