393 Zweiter Teil. Zweites Buch. $ 94,
möglich sein. Es würde dabei nicht von einem allgemeinen Prinzip,
sondern von einer Untersuchung der speziellen Verhältnisse des
einzelnen Territoriums auszugehen sein’. Diejenigen Güter, welche
die regierende Familie bereits vor Erlangung der Landeshoheit be-
sessen oder später auf rein privatem Wege erworben hat, müßten
als Familiengut betrachtet werden. Der Charakter von Staatsgut
würde für diejenigen in Anspruch zu nehmen sein, welche auf
Grund von Öffentlichrechtlichen Titeln auf den Landesherrn über-
gegangen sind. Dahin gehören alle Reichsgüter, welche den aus-
gesprochenen Charakter von Amtsgüitern hatten, alle Erwerbungen
auf Grund der landesherrlichen Regalien (Bergwerke, Salinen usw.),
namentlich aber auch das säkularisierte Kirchengut®. Eine solche
Ausscheidung nach Erwerbstiteln ist jedoch praktisch nicht durch-
führbar, da der Ursprung der einzelnen Güter häufig nicht mehr
ermittelt werden kann. Will man daher eine dem modernen
Staatsleben entsprechende Ordnung der Rechte am Kammergut
vornehmen, so kann dies nur auf dem Wege einer gesetzlichen
Regelung geschehen. Solche Gesetze sind in den meisten deutschen
Staaten erlassen worden.
1. In einer Reihe von Staaten, namentlich in den größeren,
sind die Domänen für Staatseigentum erklärt worden. Dem
Monarchen ist nach dem Vorgange Englands und Frankreichs
eine sogenannte Zivilliste®, d. h. eine jährliche Rente zur
? Auf konkrete Untersuchungen verweisen, abgesehen von v. Gerber,
namentlich H. v. Treitschke a. a. O. 166 und 167; R. v. Mohl, Geschichte
und Literatur der Staatswissenschaften 2 305; Grotefend, St.R. $ 350; Gneist in
v. Stengels Wörterbuch des deutschen Verwaltungsrechtes 1 253; v. Jagemann
im WStVR. 1 585 fl.; insbesondere auch die Schriftsteller über Badisches
Domänenrecht, vgl J. J. Pfister, Geschichtliche Entwicklung des Staats-
rechtes des Großherzogtums Baden (1847) 1 589 ff.; Schenkel nach Wielandt,
Bad. Staatsr. 388; v. Jagemann in dem Sammelwerk “Das Großherzogtum
Baden“ 555 fl.; Degen, Das Eigentumsrecht an den Domänen im Groß. Baden
(Heidelberger Diss., 1905), 32 ff.
Gegen die Ausscheidung der verschiedenen Bestandteile kann nicht
etwa die namentlich von Zachariä in den angeführten Schriften häufig be-
tonte Einheit des Kammergutes angeführt werden. Diese Einheit stammt
eben aus einer Zeit, in welcher Staatsrecht und Privatrecht noch nicht von-
einander geschieden waren. Auch hat sie nicht verhindert, daß in allen
Staaten die nutzbaren Regalien dem Kammervermögen entzogen und für
Rechte des Staates erklärt worden sind,
® Das Institut der Zivilliste hat sich in England ausgebildet. Infolge
schlechter Verwaltung hatten sich die königlichen Domänen und Einkün
8o verringert, daß im achtzehnten Jahrhundert häufige Finanzverlegenheiten
für die Könige entstanden. Georg III. ging daher bei seiner Thronbesteigung
ein Arrangement mit dem Parlament ein, nach welchem er über die erb-
lichen Revenuen der Krone nur so zu verfügen versprach, wie das Parlament
es angemessen finden würde, dafür aber zur Bestreitung des Haushaltes und
zur Aufrechterhaltung des Glanzes der Krone eine bestimmte Summe aus
Staatsfonds erhielt. Unter seinen Nachfolgern wurde dieses Arrangement
dahin abgeändert, daß sie ihre ganze erbliche Revenue zur Disposition des
Parlamentes stellten und dafür eine feste Summe bekamen. Der Name civil
list rührt daher, daß auf der dem König überwiesenen Summe eine Reihe
von Ausgaben für Staatsbeamte des sogenannten civil government lastete,