Die Organe. $ 9. 347
rechte durch richterliches Erkenntnis anordnen®, oder welche
die Wahlunfähigkeit als unmittelbare Folge der Verurteilung
wegen gewisser Verbrechen oder zu gewissen Strafen eintreten
lassen”. Dagegen sind die Landesgesetze, welche Unbescholten-
heit des Rufes als Erfordernis für das Wahlrecht hinstellen®, durch
das Reichsstrafgesetzbuch unberührt geblieben, da Bescholtenheit
nicht bloß die Folge strafrechtlicher Verurteilung, sondern auch
die Folge unehrenhaften Lebenswandels sein kann. Die Begnadigung
des Verbrechers hebt auch den Verlust der bürgerlichen Ehren-
rechte auf, aber nur für die Zeit nach erfolgter Begnadigung, nicht
rückwirkend für die Zeit von der Verurteilung bis zur Begnadigung®.
5. Ausgeschlossen von der Fähigkeit zu wählen sind solche Per-
sonen, die unter Vormundschaft stehen, sich im Konkurs befinden
oder Armenunterstützung aus öffentlichen Mitteln erhalten, mit-
unter auch Personen, welche mit der Zahlung öffentlicher Abgaben
im Rückstande sind!®. 6. Außer diesen Erfordernissen haben
einzelne Verfassungen und Wahlgesetze noch weitere aufgestellt,
als Besitz eines eigenen Hausstandes!!, das Gemeindebürgerrecht
e S.-Alt. WG. $ 7, S.-Kob.-Goth. StGG. $ 149, Reuß ä.L. Verf. $ 57. —
Das RStGB. $ 109 gestattet in diesem Falle Entziehung der bürgerlichen
Ehrenrechte, schreibt sie aber nicht als notwendig vor.
T Sächs. WG. vom 3. Dez. 1868 ® 2 (vgl. dazu Neufassung vom 27. März
1896), WG. vom 5. Mai 1909 $ 10, S.-Kob.-G. StGG. $ 148, Old. StGG. Art. 116
(abgeändert durch G. vom 17. April 1909), Reuß &. L. Verf. 56 (u. G. vom
21. Dez. 1911). — Opitz, Sächs, Staatsr. 252 N. 10, behandelt die Bestimmung
des sächsischen Wahlgesetzes als fortbestehend. .
8 Reuß ä. L. Verf. 8 55 (abgeändert durch G. vom 18. Mai 1913).
9 Schwarze, Kommentar zum Strafgesetzbuch für das Deutsche Reich,
zu $ 86, Heinze in v. Holtzendorffs Handb. des deutschen Strafrechtes 2 635
N. 8; v. Rönne, Preuß. Staatsr. ($ 59) 1 240; v. Rönne-Zorn ($ 25) 1 311.
10 Preuß. V. vom 30. Mai 1849 8 8, Bayr. WG. Art. 4, Sächs. WG. vom
3. Dez. 1868 $ 2, WG. vom 5. Mai 1909 $ 10, Württ. Verf. G. vom 26. März
1868 Art. 4, Verf. $ 142 in der Fasaung vom 16. Juli 1906, Bad. Verf. (Fassung
des G. vom 24. August 1904), $ 35 Nr. 4, Hess. G., die Landstände betr.,
vom 8. Juni 1911 Art. 7, S.-Weim. WG. 8 6, S.-Mein. WG. Art. 4, S.-Alt.
WG.8$ 6 u. 8, S.-Kob.-Goth. a5 27, 146 (G. vom 17. Mai 1911) 147 u.
G. vom 17. März 1911, Braunschw. WG. 8 4, Old. StGG. Art. 116, 117 dazu
G. vom 17. April 1909, Anh. LandtagsWG. vom 27. April 1913 & 2, Schw.-
Sondh. WG. vom 22. April 1912 8 4 (G. vom 13. April 1a) Schw.-Rud.
WG. 8 8, Reuß ä&. L. Verf. $ 56, Reuß j. L. WG. vom 8. Jan. 1913 8 4,
Schaumb.-Lipp. WG. vom 22. März 1906 Art. 1, Lipp. WG. vom 19. Okt.
191282. [Gewisse Arten von Unterstützungen gelten nach manchen Landes-
gesetzen nicht als Armenunterstützungen in diesem Sinne; vgl. bayr. Land-
tagsWG. Art. 4 Nr. 3 (Schulunterstützungen für Kinder von Wahlberechtigten),
ürtt. Verf. $ 142 Nr. 4 (Unterstützungen im Falle eines vorübergehenden
Unglücks, welche später zurückerstattet worden sind), Die Weahlgesetze
Sachsens (8 10), Hessens (Art. 7) und Sachsen- Weimars ($ 6), S.-Kob.-Goth.
StGG. 8 27 u. 147 (G. vom 17. März 1911) sowie das badische G. vom 4. Juli
1910 (bad. GVBl. 295) schließen sich bezüglich der Frage, welche Unter-
stützungen ohne Einfluß auf den Besitz des Wahlrechts sind, genau dem
einschlägigen Reichsgesetz, RG. betr. die Einwirkung von Armenunter-
stützung auf öffentliche Rechte vom 15. März 1909 (vgl. unten B 129) an.]
1 $-Alt. WG.86. Das in $ 8 der preuß. V. vom 90. Mai 1849 vor-
geschriebene Erfordernis der „Selbständigkeit“ hat nicht diese Bedeutung,