Full text: Lehrbuch des Deutschen Staatsrechts.

Die Organe. & 106. 385 
Selbstverwaltung vor, doch erschöpft letztere keineswegs den 
Begriff der ersteren. Auch auf dem Gebiete der Justiz sind in 
den Schöffen, Geschworenen und Handelsrichtern Elemente der 
Selbstregierung tätig. Ja selbst die Volksvertretung kann man 
nach dem Vorgange englischer und nordamerikanischer Schrift- 
steller als Organ der Selbstregierung bezeichnen”, 
Selbstverwaltung bedeutet demnach die Ausübung von 
Verwaltungsbefugnissen durch Personen, welche aus dem Staats- 
dienst nicht ihren Lebensberuf machen®. Der Begriff der Selbst- 
verwaltung ist ein politischer Begriff; er bezeichnet ein 
gesetzgeberisches Prinzip, welches der Gestaltung der Verwaltungs- 
organisation zugrunde liegt. Das Wort Selbstverwaltung wird 
aber noch in einem anderen Sinne gebraucht. [Man versteht 
darunter die Ausübung von Verwaltungsbefugnissen, namentlich 
von obrigkeitlicher Gewalt, durch öffentlichrechtliche Verbände, 
welche dem Staate ein- und untergeordnet, gleichwohl aber ihm 
gegenüber selbständig sind.] Dabei wird in erster Linie an 
Kommunalverbände gedacht!®, der Begriff jedoch nicht auf diese 
Verwaltung durch Ehrenämter. Dies ist allerdings insofern richtig, 
als es ihm zunächst nur auf die Begriffsfeststellung des englischen sel 
government ankommt. Auch werden die Ehrenämter stets der natur- 
emäßeste Ausdruck der Selbstregierung sein. Aber anderseits ist daran 
estzuhalten, daß die Zahlung einer Besoldung den Charakter der Selbst- 
regierung nicht aufhebt, wenn nur die Geschäfte nicht den eigentlichen 
Lebensberuf der betreffenden Person bilden. Vgl. Laband, StR 1 102, 108 
Nr. 4; E. Meier in Enzykl. (6. Aufl.) 2 644 ff. 
? Vgl. Bluntschli, Politik 79. — Dagegen nicht als Organ der Selbst- 
verwaltung, wie es Westerkamp, Über die Reichsverfassung 232 tut. 
8 Übereinstimmend: E. Loening, Lehrb. deutsch. VerwR 34fl.; v. 
Sarwey, Württemb. Staater. 3 259 ff.; Bornhak, Preuß. Staatsr. ? 109, 110; 
Hübler, Organisation der Verwaltung 14, 15; Stier-Somlo, Preuß. StR 2 48 
[Über diesen sog. politischen Selbstverwaltungsbegriff yel. noch: Fleiner, 
nstit. 95 N. 10; Schoen in der Enzykl. (7. Aufl.) 4 201; Fölsche, Das 
Ehrenamt in Preußen und im Reich adı1). 
® Dies hat mit Recht E. Loening a. a. O. hervorgehoben. Auch 
Jelinek, System 290, 291 und Staatsl. 628 ff. gibt zu, daß der Begriff der 
Selbstverwaltung ein ursprünglich politischer ist. Die Einführung der 
Selbstverwaltung verfolgte namentlich den Zweck, Organe zu schaffen, 
welche gegenüber der Zentralregierung eine größere Unabhängigkeit be- 
saßen als die Berufsbeamten. Dies hat Neukamp, Begriff der Selbstverwal- 
tung im ArchÖffentIR 4 377 ff., 525 ff., Veranlassung gegeben, die Selbst- 
verwaltung geradezu als die von der Ministerialverwaltung unabhängige, 
nur den Gesetzen des Landes unterworfene Verwaltung zu definieren 
(a. a. O. 538). Aber diese Unabhängigkeit, wenn auch bei der Selbst- 
verwaltung in der Regel vorhanden, macht doch das Wesen derselben nicht 
aus. Denn es ist einerseits nicht ausgeschlossen, daß auch ein Organ der 
Selbstverwaltung in einzelnen Fällen den Dienstbefehlen einer vorgesetzten 
Behörde unterworfen ist, anderseits kommen Behörden vor, welche lediglich 
aus Berufsbeamten bestehen und ihre Geschäfte trotzdem unabhängig von 
der jeweiligen Ministerialverwaltung erledigen, 
10 Zu der Identifizierung von Selbstverwaltung und Kommunalverwal- 
tung hat schon Gneists Definition des Selfgovernment a,a.O. als „Kreis- 
und Gemeindeverwaltung durch Ehrenämter und Kommunalsteuern 
nach den Gesetzen des Landes“ Veranlassung gegeben, obwohl dieser
	        
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