Full text: Lehrbuch des Deutschen Staatsrechts.

Die Organe. $ 107. 395 
den Charakter einer selbständigen Behörde an, welche ohne Teil- 
nahme des Landesherrn ihre Geschäfte erledigte. Für die Be- 
arbeitung derjenigen Angelegenheiten, welche sich der Landesherr 
auch jetzt zur persönlichen Entscheidung reservierte, wurde ein 
Ausschuß des Geheimen Rates, das landesherrliche Kabinett ge- 
bildet ?. 
In denjenigen Ländern, welche privilegia de non appellando 
besaßen, errichtete man seit der zweiten Hälfte des siebzehnten 
Jahrhunderts besondere obere Gerichtshöfe, welche an Stelle der 
Reichsgerichte als dritte Instanz fungierten und die Appellationen 
von den Hofgerichten und Kanzleien entschieden. Sie führten den 
Namen Tribunale oder Oberappellationsgerichte®. 
Die lokale Verwaltung wurde. in dieser Zeit auf den 
landesherrlichen Besitzungen durch Amtmänner (Pfleger, 
Drosten, vgl. oben S. 393) geführt, welche seit dem sechzehnten 
Jahrhundert gewöhnlich dem Gelehrtenstande entnommen waren. 
In ihren Händen vereinigten sich Justiz, Polizei und die Verwal- 
tung der landesherrlichen Domänen und Regalien?. Gegen Ende 
des siebzehnten Jahrhunderts entwickelte sich das System der 
Verpachtung der Domänen. Seit dieser Zeit wurde den Pächtern 
vielfach auch die Ausübung der Justiz und Polizei auf den landes- 
herrlichen Domänen übertragen !°. Doch führten die großen Miß- 
stände, welche dieses System zur Folge hatte, schon im achtzehnten 
  
  
Jahrhunderts; (Seydel-Piloty, Bayer. Staatsr. 1 7 (ausführlicher die 2. Aufl. 
des Seydelschen Werkes, 1 18 ff.), der württembergische Geheime Regiments- 
rat 1628 (v. Sarwey, Württemb. Staatsr. 2 113; Wintterlin, Gesch. der Be- 
hördenorganisation in Württemberg 63 ff). [Auch in Hannover, in der 
Markgrafschaft Baden und in den hessischen Staaten bestanden Geheimrats- 
kollegien; vgl. E. v. Meier, hannöv. Verfassungs- und Verwaltungsgesch. 
1 153f., 2 Afi.; Walz in der Laband-Festschrift von 1903, 287f£.; W. van 
Calker, im Jahrb. Öff. R. 2 125. — Über analoge Einrichtungen im alten 
England und Frankreich vgl. Hintze, Histor. Zeitschr. 100 65 fl., 77 fi. 
? In Preußen seit dem Großen Kurfürsten (Stölzel a. a. O. 365 ff.; 
E. v. Meier a. a. O. 8ff.), in Sachsen im Jahre 1706 (v. Römer a. a. O. 
%) „m, Bayern im Jahre 1726 (Kreittmayr, Bayr. Staatsr. $ 165; Seydel- 
iloty 1 8. 
8 Von großem Einfluß auf die Gestaltung dieser Gerichte waren die 
Einrichtungen beim Tribunal in Wismar, das Schweden für seine deutschen 
Besitzungen im Jahre 1653 errichtete (A. Balthasar, Historische Nachricht 
von den Landesgerichten im Herzogtum Pommern (1733) 826). Andere der- 
artige Gerichte sind: das 1703 begründete Oberappellationsgericht oder 
Tribunal zu Berlin, später Obertribunal genannt (Stölzel a. a. O0. 2 55 ff.), 
das Oberappellationsgericht zu Kassel vom 15. Februar 1746, das Ober- 
appellationsgericht zu Celle vom 26. Juni 1713 (E. v. Meier a. a. O. 294 ff.). 
9 pa v. Meier, Hannoversche Verfassungs- und Verwaltungsgesch. 
10 So namentlich in Preußen, (vgl. Isaacsohn, Gesch. des preuß. Be- 
amtentums 8 57 ff., 135 ff.; Stadelmann, Preußens Könige in ihrer Tätigkeit 
für die Landeskultur (Leipzig 1878) 1 85ff.; E. v. Meier, Enzykl. (6. Aufl.) 
2 659, Reform der Verwaltungsorganisation (2. Aufl.) ff. (daselbst 
440 N. 66—68 weitere Literaturangaben) und Kursachsen (v. Witzleben, Die 
Entstehung der konstitutionellen Verfassung des Königreiches Sachsen 114).
	        
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