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griff namentlich Friedrich Wilhelm I. in Preußen. Allerdings
wurde die Selbständigkeit der Städte unter ihm vollständig ge-
brochen und dieselben in hohem Maße der Aufsicht und Leitung
von Staatsbeamten, namentlich des commissarius loci unterworfen.
Aber gleichzeitig fand eine durchgreifende Reform der städtischen
Verwaltung statt. Der Gemeinsinn der Bürger wurde durch die
erziehende Tätigkeit der landesherrlichen Obrigkeit von neuem
belebt, die Stadtgemeinde als tätiges Glied dem Staatsverbande
eingefügt, innerhalb dessen sie die Stellung einer privilegierten
Korporation einnahm. Diese Auffassung herrscht auch noch im
preußischen Landrecht vor, welches an die Stelle der bisherigen
statutarischen Regelungen der Städteverhältnisse eine allgemeine
gesetzliche (freilich nur subsidiär geltende) Ordnung setzte.
Auch in anderen deutschen Territorien wurden im Lauf des acht-
zehnten Jahrhunderts seitens der Landesherren Gesetze erlassen,
welche den Zweck hatten, die Rechtsverhältnisse der Städte ein-
heitlich zu regeln und Verbesserungen der städtischen Verwaltung
herbeizuführen ®,
3. Eine der städtischen entgegengesetzte Entwicklung trat in
den Landgemeinden’ ein. Diese erlangten nicht, wie die
Städte, den Besitz von Hoheitsrechten und eine selbständige Ver-
fassung, sondern standen unter der Herrschaft des Grundherrn.
Trotzdem aber bewahrten die Gemeindegenossen eine tätige Mit-
wirkung bei der Verwaltung der Gemeindeangelegenheiten. Die
Eigenschaft eines Gemeindegenossen war ursprünglich an Hufen-
besitz in der Gemeinde geknüpft. Mit der Entstehung einer
größeren Ungleichheit im Grundbesitz entwickelten sich die Ver-
+ Vgl. Schmoller in der N. 2 angeführten Abhandlung; Isaacsohn, Ge-
schichte des preußischen Beamtentums 884 ff.; Bornhak, Gesch. des preuß.VerwR
2 ilff. und Preuß. Staats- und Rechtageach. 164 ff.; Preuss, Entwicklung des
deutschen Städtewesens 1 119ff., 156 ff.
5 Preuß, ALR II 8 ss 86—178. Über die preußische Städte-
verfassung im achtzehnten Jahrhundert vgl. auch E. Meier, Reform der
Verwaltungsorganisation unter Stein und Hardenberg 70 ff. und Enzykl.
660 ff.; Hintze ın Acta Borussica 6 1, 239 ff., Preuss, a. a. O. 156 ff.
€ Vgl. E. Loening, Deutsches VerwR 144; Jolly a. a. 0. 496; E. v.
Meier, Hannöv. Verfassungs- und Verwaltungsgesch. 2 444 ff.
° Über die Geschichte der Landgemeinden vgl. Gierke, Genossenschafts-
recht 1 88 52, 53, 55; G. L. v. Maurer, Einleitung zur Geschichte der
Mark-, Hof-, Dorf- und Stadtverfassung und der öffentlichen Gewalt, München
1854, Geschichte der Markenverfassung, Erlangen 1856, Geschichte der
Fronhöfe, der Bauernhöfe und der Hofverfassung in Deutschland, 4 Bde.,
Erlangen 1862—1863, Geschichte der Dorfverfassung in Deutschland, 2 Bde.,
Erlangen 1865 und 1866; C. Stüve, Wesen und Verfassung der Landgemein-
den und des ländlichen Grundbesitzes in Niedersachsen und Westfalen,
Jena 1851; Thudichum, Die Gau- und Markenverfassung in Deutschland,
Gießen 1860; E. Meier, Reform 120 ff. und Hannöv. Verfassungs- und Ver-
waltungsgesch. 2 584 ff.; E. Loening, in Jahrb. für Nationalökonomie a.2.0.;
Keil, Die Landgemeinde in den östlichen Provinzen Preußens (1890) und
Kommentar zur Preußischen Landgemeindeordnung vom 3. Juli 1891 (1896)
1—14; W. Wittich, Die Grundherrschaft in Nordwestdeutschland, Leipzig
1896; v. Below. Territorium und Stadt 1ff., 95 ff.