Full text: Lehrbuch des Deutschen Staatsrechts.

Die Organe. $ 111. 421 
Polizeiverwaltungen einzurichten*. Da, wo die Gemeinden für 
die Ausübung der örtlichen Polizeiverwaltung zu klein oder wo in 
denselben geeignete Organe dafür nicht vorhanden sind, wird die 
Ortspolizei für eine Reihe von Gemeinden einem staatlichen Be- 
amten übertragen®. [Den Gemeinden steht ferner auf dem Ge- 
biete des öffentlichen Schulwesens die Tragung der Schullasten 
und die Verwaltung der sogenannten äußeren Schulangelegenheiten 
(d. h. die Herstellung der für die Lehr- und Lerntätigkeit in der 
Schule erforderlichen Vorbedingungen und Mittel)a, in kleineren 
Orten die des Elementar-, in größeren Städten auch die des 
höheren Schulwesens zu.] Auf den Gemeinden liegt ein großer 
Teil der Wegebaulasten; insbesondere sind sie zur Unter- 
haltung der öffentlichen Wege innerhalb des Gemeindebezirks 
(Ortsstraßen) verpflichtet. Die Gemeinden sind das hauptsäch- 
lichste Organ der Armenpflege und haben wichtige Funktionen 
auf dem Gebiete des Krankenversicherungswesens, sowie 
die Sorge für die Standesbeamtung. Für das Militär- 
wesen haben die Gemeinden namentlich insofern eine Bedeutung, 
als ihnen die Beschaffung von Quartier für die bewaffnete Macht 
in Friedenszeiten und ein großer Teil der Kriegsleistungen obliegt. 
Bei der Finanzverwaltung sind sie nicht nur dadurch be- 
teiligt, daß ihnen die Verwaltung ihrer eigenen Finanzen zusteht, 
sondern sie werden auch für die Veranlagung und Erhebung von 
Staatssteuern in umfassender Weise herangezogen. Die Gemeinden 
entwickeln außerdem eine umfangreiche Tätigkeit auf dem Ge- 
biete der lokalen Wohlfahrtspflege, wie sie sich in der 
* Preuß. G. über die Polizeiverwaltung vom 11. März 1850 $ 2, Preuß. 
V. über die Polizeiverwaltung in den neu erworbenen Landesteilen vom 
20. September 1867. Vgl. v. Rönne, PrStR 1 $ 112 und 113 8. 571 ff., Preuß. 
Polizeikostengesetz vom 8. Juni 1908 (dazu Anschütz im JahrbOffentiR 
8 455 ff., Art. Polizeikosten in v. Bittere Wörterbuch der preußischen Ver- 
waltung. Bayr. G. vom 15. September 1818, Sächs.rev.StÜ & 101, Bad. V. 
vom 15. Junı 1876, Hess. StO Art. 129a, 129c (anders Art. 128a, 128b 
LGO), Reuß ä. L. GO Art. 9, Schaumburg-Lippe StO $ 51. 
s So in den östlichen Provinzen Preußens und in Schleswig-Holstein 
den Amtsvorstehern (KrO f. d. östl. Prov. vom 13. Dezember 1872 859, KrO 
für Schleswig-Holstein vom 26. Mai 1888 5 51), in Posen den Distrikts- 
kommissarien [v. Rönne, PrStR 1 8 112 8. 577; Entsch. des preuß. OVG 
36 153 E, in Hannover den Landräten (KrO vom 6. Mai 1884 8 24, 
in Westfalen den Amtmännern (KrO vom 91. Juli 1886 8 29), in der Rhein- 
provinz den Bürgermeistern (KrO vom 30. Mai 1887 $ 28), in S.-Alten- 
urg den Amtsvorstehern (G. vom 13. Juni 1876), in Anhalt den Amts- 
vorstehern (G. vom 7. April 1878), In Hessen-Nassau ist die Bildung gemein- 
samer Ortspolizeibezirke aus mehreren Gemeinden zulässig, in denen einer 
ger Bürgermeister die Ortspolizei ausübt (LGO 8 64; vgl. E. v. Meier, Enzykl. 
. 651). 
» Vgl. preußische Verfassung Art. 24 Abs.8: „Die Leitung der äußeren 
Angelegenheiten der Volksschule steht der Gemeinde zu.“ Anschütz, Kom- 
mentar zur preußischen Verfassung 1 411ff., 457fl. Mit dem preußischen 
stimmt das ayerische Recht überein: v. Seydel-Graßmann, Bayerisches 
Staatsrecht 2 566 fl.
	        
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