Full text: Lehrbuch des Deutschen Staatsrechts.

430 Zweiter Teil. Zweites Buch. $ 112. 
angehörigen speziell vorbehalten ist. Auch die Verpflichtung, zu 
den Gemeindelasten beizutragen, erscheint nicht mehr als Folge 
der Gemeindeangehörigkeit, sondern als Folge eines einiger- 
maßen dauernden (mehr als dreimonatlichen) Aufenthaltes in der 
Gemeinde. 
Dagegen hat das Gemeindebürgerrecht seine Be- 
deutung im wesentlichen bewahrt. Nur für Grundstückserwerb 
und Gewerbebetrieb ist es nicht mehr erforderlich. Aktives und 
passives Wahlrecht aber und die Verpflichtung zur Übernahme 
von Gemeindeämtern sind auch ferner an dasselbe geknüpft. 
Die Klasse der Schutzgenossen (Schutzverwandten) ist 
infolge der Reichsgesetzgebung vollständig verschwunden, da 
niemand mehr einer besonderen Erlaubnis zur Niederlassung in 
einer Gemeinde bedarf, und alle Wirkungen der früheren Schutz- 
genossenschaft jetzt einfache Wirkungen der Niederlassung sind. 
Unverändert erhalten hat sich die Klasse der Forensen, ja 
infolge des Umstandes, daß der Erwerb von Grundstücken von 
dem Besitz des Gemeindebürgerrechtes durchaus unabhängig ist, 
sogar eine erhöhte praktische Bedeutung gewonnen. 
Nach Lage der reichsgesetzlichen Vorschriften über Nieder- 
lassungs- und Armenrecht besteht keinerlei Bedürfnis mehr, den 
lörwerb des Heimatsrechtes an einen speziellen Akt der Aufnahme 
oder Verleihung zu knüpfen. Deshalb sind die meisten neueren 
Gemeindegesetzgebungen dem Vorbilde des preußischen Rechtes 
gefolgt und haben für Gemeindeangehörige alle diejenigen 
Personen erklärt, welche in der Gemeinde ihren Wohn- 
sitz haben!?. Diese sind zur Benutzung der Gemeindeanstalten 
befugt und nach Ablauf von drei Monaten zur Teilnahme an den 
Gemeindelasten verpflichtet. 
Unter ihnen treten die Gemeindebürger (Gemeinde- 
mitglieder i.e. S.) als bevorrechtigte Klasse hervor, d.h. die- 
jenigen Personen, welche des aktive und passive Wahlrecht zu 
den Gemeindeämtern sowie die Fähigkeit und Pflicht zur Über- 
nahme derselben besitzen, wofür ihnen andrerseits mitunter ge- 
wisse Nutzungsrechte am Gemeindevermögen zustehen. [Bezüglich 
des Erwerbs des Bürgerrechts verhalten sich die deutschen Gesetz- 
gebungen verschieden. Die einen halten an dem älteren System 
der geschlossenen Bürgergemeinde (oben 425) fest und lassen 
19 Sächs. rev. StO 8 14, LGO 8$ 15 und 16, Württ. G. vom 16. Juni 
1885 Art.46, Bad. StO $7. Auch die bad. GO $10und11 knüpft das aktive 
und passive Wahlrecht jetzt an den Wohnsitz, so daß das Gemeindebürger- 
recht wesentlich nur für die Allmendnutzungen von Bedeutung ist. Ebenso 
Hess. StO Art. 16, LGO Art. 16, S.-Weim. Art. 1, S.-Mein. GO Art. 12, 
18, S.-Alt. StO $ 8, DO 8 4, Braunschw. StO 810, LGO 8 12, Old. GO Art. 
3, Anh. GO 816, Schw.-Sondersh. GO 8 25, Schw.-Rud. Art. 2, 19, Reuß 
ä.L. GO Art. 20, Reußj.L. GO Art. 17, Lipp. StO 82, DGO 82. Auf dem- 
selben Standpunkte stehen natürlich auch die neueren preußischen Gemeinde- 
esetze: Hess.-Nass. StO 8 3 LGO 8 7, LGO für die östlichen Provinzen 
K 7, für Schleswig-Holstein $ 7, für Hohenzollern (vom 2. Juli 1900) 8 7.
	        
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