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angehörigen speziell vorbehalten ist. Auch die Verpflichtung, zu
den Gemeindelasten beizutragen, erscheint nicht mehr als Folge
der Gemeindeangehörigkeit, sondern als Folge eines einiger-
maßen dauernden (mehr als dreimonatlichen) Aufenthaltes in der
Gemeinde.
Dagegen hat das Gemeindebürgerrecht seine Be-
deutung im wesentlichen bewahrt. Nur für Grundstückserwerb
und Gewerbebetrieb ist es nicht mehr erforderlich. Aktives und
passives Wahlrecht aber und die Verpflichtung zur Übernahme
von Gemeindeämtern sind auch ferner an dasselbe geknüpft.
Die Klasse der Schutzgenossen (Schutzverwandten) ist
infolge der Reichsgesetzgebung vollständig verschwunden, da
niemand mehr einer besonderen Erlaubnis zur Niederlassung in
einer Gemeinde bedarf, und alle Wirkungen der früheren Schutz-
genossenschaft jetzt einfache Wirkungen der Niederlassung sind.
Unverändert erhalten hat sich die Klasse der Forensen, ja
infolge des Umstandes, daß der Erwerb von Grundstücken von
dem Besitz des Gemeindebürgerrechtes durchaus unabhängig ist,
sogar eine erhöhte praktische Bedeutung gewonnen.
Nach Lage der reichsgesetzlichen Vorschriften über Nieder-
lassungs- und Armenrecht besteht keinerlei Bedürfnis mehr, den
lörwerb des Heimatsrechtes an einen speziellen Akt der Aufnahme
oder Verleihung zu knüpfen. Deshalb sind die meisten neueren
Gemeindegesetzgebungen dem Vorbilde des preußischen Rechtes
gefolgt und haben für Gemeindeangehörige alle diejenigen
Personen erklärt, welche in der Gemeinde ihren Wohn-
sitz haben!?. Diese sind zur Benutzung der Gemeindeanstalten
befugt und nach Ablauf von drei Monaten zur Teilnahme an den
Gemeindelasten verpflichtet.
Unter ihnen treten die Gemeindebürger (Gemeinde-
mitglieder i.e. S.) als bevorrechtigte Klasse hervor, d.h. die-
jenigen Personen, welche des aktive und passive Wahlrecht zu
den Gemeindeämtern sowie die Fähigkeit und Pflicht zur Über-
nahme derselben besitzen, wofür ihnen andrerseits mitunter ge-
wisse Nutzungsrechte am Gemeindevermögen zustehen. [Bezüglich
des Erwerbs des Bürgerrechts verhalten sich die deutschen Gesetz-
gebungen verschieden. Die einen halten an dem älteren System
der geschlossenen Bürgergemeinde (oben 425) fest und lassen
19 Sächs. rev. StO 8 14, LGO 8$ 15 und 16, Württ. G. vom 16. Juni
1885 Art.46, Bad. StO $7. Auch die bad. GO $10und11 knüpft das aktive
und passive Wahlrecht jetzt an den Wohnsitz, so daß das Gemeindebürger-
recht wesentlich nur für die Allmendnutzungen von Bedeutung ist. Ebenso
Hess. StO Art. 16, LGO Art. 16, S.-Weim. Art. 1, S.-Mein. GO Art. 12,
18, S.-Alt. StO $ 8, DO 8 4, Braunschw. StO 810, LGO 8 12, Old. GO Art.
3, Anh. GO 816, Schw.-Sondersh. GO 8 25, Schw.-Rud. Art. 2, 19, Reuß
ä.L. GO Art. 20, Reußj.L. GO Art. 17, Lipp. StO 82, DGO 82. Auf dem-
selben Standpunkte stehen natürlich auch die neueren preußischen Gemeinde-
esetze: Hess.-Nass. StO 8 3 LGO 8 7, LGO für die östlichen Provinzen
K 7, für Schleswig-Holstein $ 7, für Hohenzollern (vom 2. Juli 1900) 8 7.