Full text: Lehrbuch des Deutschen Staatsrechts.

434 Zweiter Teil. Zweites Buch. $ 113. 
Landgemeinden mit mehr als 500 Einwohnern ein kollegialer Ge- 
meindevorstand (Gemeinderat) besteht®. 
2. Das zweite System kommt in einer doppelten Ge- 
staltung vor. 
a) Nach der einen Gestaltung ist die einheitliche [äußerlich 
allerdings mitunter (so in der Rheinprovinz und in Hessen) nach 
Stadt- und Landgemeinden verschiedene] Gemeindeverfassung 
wesentlich gleichartig mit der soeben geschilderten Land- 
gemeindeverfassung [zeigt also einen nicht kollegialisch, 
sondern monokratisch formierten Gemeindevorstand: Gemeinde- 
vorstand ist nicht ein Magistratskollegium, sondern der Bürger- 
meister (Bürgermeister- im Gegensatz zur Magistratsverfassung)]. 
Diese Form der Verfassung hat sich unter dem Einfluß der 
französischen Gesetzgebung verbreitet. Sie besteht in der 
preußischen Rheinprovinzd, in der bayerischen Pfalzd, im Groß- 
erzogtum Hessend, in dem größten Teil der thüringischen 
Staaten, namentlich in dem Großherzogtum Sachsen-Weimar, dem 
Herzogtum Sachsen-Meiningen, in den reußischen und schwarz- 
burgischen Fürstentümern und im Fürstentum Waldeck. Die 
Verwaltungsgeschäfte werden vom Bürgermeister mit Hilfe 
eines oder mehrerer Beigeordneten geführt. Als zweites 
Organ neben ihm besteht eine gewählte Gemeindevertretung in 
den Städten der preußischen Rheinprovinz und Hessens Stadt- 
verordnetenversammlung, sonst vielfach Gemeinderat 
genannt, die entweder unter dem Vorsitz des Bürgermeisters oder 
unter dem eines selbstgewählten Vorsitzenden tagt und die Be- 
fugnisse der Stadtverordneten in den Städten mit Magistrats- 
verfassung (s. o. Nr. 1) besitzt®. 
b) Nach der zweiten Gestaltung, welche im Königreich Württem- 
berg und im Großherzogtum Baden besteht, entspricht die Organi- 
sation der Gemeinden der oben geschilderten städtischen Ver- 
fassung (d.h. der Magistratsverfassung). Es bestehen als Organe 
der Gemeinde: 1. der Gemeinderat (Stadtrat), ein Kollegium mit 
einem Bürgermeister (Schultheiß) an der Spitze für die Führung 
8 LGO für Hessen-Nassau d 45. 
d Die Einheitlichkeit der Gemeindeverfassung auf Grund des Bürger- 
meistersystems gilt in allen diesen Rechtsgebieten nicht unbedingt: vielmehr 
können in der preußischen Rheinprovinz und in der bayerischen Pfalz alle 
Städte (alle Gemeinden, welche irgendwie berechtigt sind. den Namen Stadt 
zu führen), in Hessen alle Gemeinden mit mehr als 15000 Einwohnern mit 
Staatsgenehmigung die Magistratsverfassung einführen. Preuß. StO für die 
Rheinprovinz vom 15. Mai 1856 8 66ff., Bayer. G. (Pfälz. Städteverf. 
G.) vom 15. August 1903 (vgl. Piloty, JahrbÖffentIR 8473 ff.), hess. StO Art. 
202 ff. (oben 431 Anm.a). Über den Typus „Bürgermeisterverfassung“ vgl. den 
oben Anm. b zit. Artikel von Preuss. 
9 Rhein. StO 32.9 11ff., LGO SS 44ff., GO für die Pfalz Art. 7 und 46, 
Hess. StO Art. 2,35 ff, LGO Art. 2, 35 ft., S.-Weim. GO Art.7. 42 ff, S.-Mein. 
GO Art. 21ff., Anh. GO $$ Stff., Schw.-Sondersh. GO $ 67 ff., Schw.-Rud. 
GO Art. 38 ff., 120 ff., Reuß ä. L. GO Art. 19 und 59, Reuß j. L. GO Art. 7 
und 61, Wald. GO ss 9ff.
	        
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