Full text: Lehrbuch des Deutschen Staatsrechts.

Einleitung. $ 10. 35 
Überall, wo demokratische Elemente am Staatsleben beteiligt 
sind, muß man unterscheiden, ob das Volk unmittelbar in seinen 
einzelnen Gliedern die Herrschaftsrechte ausübt oder sich darauf 
beschränkt, Vertreter zu wählen, die an seiner Stelle die staat- 
lichen Befugnisse handhaben. Im ersteren Falle sind rein demo- 
kratische Formen vorhanden [„unmittelbare Demokratie“]e, 
im letzteren liegt eine Repräsentativverfassung vor®, 
9. Die Gliederung des Staates !. 
8 10. 
Jeder Staat, der ein größeres Gebiet umfaßt, bedarf einer 
Gliederung in einzelne Teile (Provinzen, Bezirke, Kreise, Ge- 
meinden). Diese Teile können den Charakter bloßer Staats- 
bezirke haben. Dies ist der Fall, wenn die innerhalb derselben 
tätigen Organe als Staatsorgane erscheinen, d. h. unmittelbar vom 
Staate eingesetzt werden. Sie können aber auch als selbständige 
Gemeinwesen, insbesondere als Kommunalverbände (lokale Kom- 
munalverbände oder Gemeinden und Kommunalverbände höherer 
Ordnung) organisiert sein, d. h. ihre eigenen Organe besitzen, 
welche nicht den Willen des Staates, sondern den Willen der 
Provinz oder der Gemeinde repräsentieren. Diese Organe müssen 
in dem betreffenden Kommunalverbande selbst ihren Ursprung 
finden, ein Bestätigungsrecht der Staatsgewalt ist dadurch nicht 
ausgeschlossen. Die Kommunalverbände sind Rechtssubjekte des 
öffentlichen Rechtes, sie können sowohl zum Staate, als unter- 
einander, als zu den einzelnen Individuen in Rechtsbeziehungen 
treten. Es stehen ihnen Herrschaftsbefugnisse gegenüber ihren 
Gliedern zu. 
Den dem Staat untergeordneten politischen Gemeinwesen ist 
ein Teil der Staatsaufgaben zur Erfüllung überwiesen; dadurch 
sind denselben öffentlich-rechtliche Pflichten auferlegt. Ein Staat, 
welcher alle politischen Funktionen selbst auszuüben und dem- 
gemäß in den Händen seiner eigenen Organe zu vereinigen sucht, 
heißt ein zentralisierter, ein Staat, der dabei eine weitgehende 
Mitwirkung der Kommunalverbände eintreten läßt, ein dezentra- 
lisierter Staat. 
Die Tätigkeit der kommunalen Organe liegt in neuerer Zeit 
fast ausschließlich auf dem Gebiete der Verwaltung?, 
namentlich der inneren und Finanzverwaltung, während im Mittel- 
ce Hatschek, Allgem. Staater. 2 20 ff, Loening im Handwörterb. 7 722, 723, 
van Calker im Handb. d. Pol. 1 145 fl. 
6 Über Repräsentation und repräsentative Organe: Jellinek, Staatsl. 566 ff.; 
vgl. ferner Loening, Die Repräsentativverfassung im 19. Jahrhundert (1899); 
Rehm, Staatsl. 285 ff., 348 fi. 
. ! Jellinek, Staatsl. 625>—660; R. Schmidt, Staatsl. 1 271 ff. 
® Vgl. Loening, V.R. 180 ff.; E. v. Meier, Enzyklop. (6. A.) 2 641 ff. 
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