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Überall, wo demokratische Elemente am Staatsleben beteiligt
sind, muß man unterscheiden, ob das Volk unmittelbar in seinen
einzelnen Gliedern die Herrschaftsrechte ausübt oder sich darauf
beschränkt, Vertreter zu wählen, die an seiner Stelle die staat-
lichen Befugnisse handhaben. Im ersteren Falle sind rein demo-
kratische Formen vorhanden [„unmittelbare Demokratie“]e,
im letzteren liegt eine Repräsentativverfassung vor®,
9. Die Gliederung des Staates !.
8 10.
Jeder Staat, der ein größeres Gebiet umfaßt, bedarf einer
Gliederung in einzelne Teile (Provinzen, Bezirke, Kreise, Ge-
meinden). Diese Teile können den Charakter bloßer Staats-
bezirke haben. Dies ist der Fall, wenn die innerhalb derselben
tätigen Organe als Staatsorgane erscheinen, d. h. unmittelbar vom
Staate eingesetzt werden. Sie können aber auch als selbständige
Gemeinwesen, insbesondere als Kommunalverbände (lokale Kom-
munalverbände oder Gemeinden und Kommunalverbände höherer
Ordnung) organisiert sein, d. h. ihre eigenen Organe besitzen,
welche nicht den Willen des Staates, sondern den Willen der
Provinz oder der Gemeinde repräsentieren. Diese Organe müssen
in dem betreffenden Kommunalverbande selbst ihren Ursprung
finden, ein Bestätigungsrecht der Staatsgewalt ist dadurch nicht
ausgeschlossen. Die Kommunalverbände sind Rechtssubjekte des
öffentlichen Rechtes, sie können sowohl zum Staate, als unter-
einander, als zu den einzelnen Individuen in Rechtsbeziehungen
treten. Es stehen ihnen Herrschaftsbefugnisse gegenüber ihren
Gliedern zu.
Den dem Staat untergeordneten politischen Gemeinwesen ist
ein Teil der Staatsaufgaben zur Erfüllung überwiesen; dadurch
sind denselben öffentlich-rechtliche Pflichten auferlegt. Ein Staat,
welcher alle politischen Funktionen selbst auszuüben und dem-
gemäß in den Händen seiner eigenen Organe zu vereinigen sucht,
heißt ein zentralisierter, ein Staat, der dabei eine weitgehende
Mitwirkung der Kommunalverbände eintreten läßt, ein dezentra-
lisierter Staat.
Die Tätigkeit der kommunalen Organe liegt in neuerer Zeit
fast ausschließlich auf dem Gebiete der Verwaltung?,
namentlich der inneren und Finanzverwaltung, während im Mittel-
ce Hatschek, Allgem. Staater. 2 20 ff, Loening im Handwörterb. 7 722, 723,
van Calker im Handb. d. Pol. 1 145 fl.
6 Über Repräsentation und repräsentative Organe: Jellinek, Staatsl. 566 ff.;
vgl. ferner Loening, Die Repräsentativverfassung im 19. Jahrhundert (1899);
Rehm, Staatsl. 285 ff., 348 fi.
. ! Jellinek, Staatsl. 625>—660; R. Schmidt, Staatsl. 1 271 ff.
® Vgl. Loening, V.R. 180 ff.; E. v. Meier, Enzyklop. (6. A.) 2 641 ff.
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