Die Organe. $ 118. 465
worden. Während auf dem Gebiete der Verwaltung den Kom-
munalverbänden eine umfangreiche Mitwirkung eingeräumt ist,
wird die Ausübung der Justiz in neuerer Zeit als eine ausschließ-
liche Staatsangelegenheit angesehen. Nur in Württem-
berg und Baden bestehen noch Gemeindegerichte auf Grund
einer besonderen Zulassung durch das Reichsgerichtsverfassungs-
esetz.
e Die oberste Gerichtsbarkeit wird jetzt durch das Reichs-
ericht ausgeübt, alle niederen Instanzen sind Landes-
Behörden. Den Landesgesetzgebungen derjenigen Bundes-
staaten, in welchen mehrere Oberlandesgerichte bestehen, ist nach-
elassen worden, für die Verhandlung und Entscheidung der zur
Zuständigkeit des Reichsgerichts gehörenden Revisionen und Be-
schwerden in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten einen obersten
Landesgerichtshof zu errichten?. Doch findet die Vorschrift
auf bürgerliche Rechtsstreitigkeiten, welche früher zur Zuständig-
keit des Oberhandelsgerichts gehörten oder durch besondere Reichs-
gesetze dem Reichsgerichte zugewiesen werden, insbesondere auch
auf Streitigkeiten aus dem bürgerlichen Gesetzbuch keine An-
wendung ®.
Im übrigen bestehen für Zivilsachen folgende Gerichte:
1. Amtsgerichte, denen Einzelrichter vorstehen. Sie haben
Kompetenz für vermögensrechtliche Streitigkeiten, deren Gegen-
stand den Wert von 600 Mark nicht übersteigt, und für eine
Reihe speziell überwiesener Angelegenheiten‘. 2. Kollegialische
Landgerichte. Die Zivilkammern derselben sind für alle
bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten zuständig, welche nicht vor die
Amtsgerichte gehören, und bilden außerdem die Berufungs- und
Beschwerdeinstanz für die Amtsgerichte”. Bei den Land-
gerichten können zur Entscheidung von Handelsstreitigkeiten
Kammern für Handelssachen errichtet werden, welche aus einem
Mitgliede des Landgerichtes bezw. einem Amtsrichter als Vor-
sitzenden und zwei Handelsrichtern bestehen®. 3. Kollegialische
Oberlandesgerichte als Beschwerde- und Berufungsinstanz
für die Entscheidungen der Landgerichte”.
Für Strafsachen besteht eine dreifache Gliederung;
l. Schöffengerichte, bestehend aus dem Amtsrichter und
zwei für die einzelne Sitzung zu berufenden Schöffen, zur Ab-
® Diese Bestimmung findet jedoch auf denjenigen Bundesstaat, in dessen
Gebiet das Reichsgericht seinen Sitz hat, keine Anwendung. BG über den
Sitz des Reichsgerichtes vom 11. April 1877 $S 1._Von der Befugnis, einen
obersten Landesgerichtshof zu errichten, hat nur Bayern Gebrauch gemacht
(AusfG zum RGVG vom 28. Febr. 1879 Art. 42),
® EG zum RGVG $ 8. EG zum BGB Art. 6.
4 RGVG 88 22—24. G. vom 1. Juni 199.
E RGVG 88 58, 70, 71.
° RGVG 85 10—118.
? RGVG s3 119 und 128.