Die Organe. $ 119. 467
deutschem Boden und als Gegenstück zu den andern deutschen
Einzelstaaten, welche insgesamt monarchische Flächenstaaten dar-
stellen, der Typus des republikanischen Stadtstaates. Die Ver-
fassungsform der drei Städte ist die demokratisch-konstitutionelle
in Gestalt einer Stadtgemeindeverfassungb. Die obersten Organe
in jeder der Städte sind Senat und Bürgerschaft. Die
Staatsgewalt „steht, wie die Verfassungen ! sagen, ihnen gemein-
schaftlich zu“. Träger der Staatsgewalt ist also weder der
Senat“, noch die Bürgerschaft, sondern beide sind es, in ver-
fassungsmäßigem Zusammenwirken.
Der Senat ist ein Kollegium mit einer gesetzlich fixierten
Zahl von Mitgliedern (in Hamburg 18, in Bremen 16, in Lübeck
14), unter denen eine bestimmte Anzahl-von Rechtsgelehrten und
kleinste der drei Städte, Lübeck, zuerst, die größte zuletzt. Maßgebend für
diese Reihenfolge (ebenso schon BA Art. IV, VI) ist nicht die Bevölkerungs-
ziffer, sondern das ihr umgekehrt proportionale Alter als freie Reichsstadt.
b Vgl. oben 266. Hier und da werden die Hansestädte als Aristo-
kratien bezeichnet: so Hamburg von Seelig, WStVR 2328, Hamburg und
Lübeck von Rehm, ArchÜffR 25 393. Das wäre nur zutrefiend, wenn ein
hervorragender Teil des Volkes“ (oben 33), d. h. ein herrschender Stand
(Stadtadel, Patriziat) oder ein dengelben repräsentierender Personenkreis den
obersten Verfassungsfaktor darstellte, was aber nicht der Fall ist. Richtig
Walther, das Staatshaupt in den Republiken 60. Seelig, a. a. O., wider-
spricht sich zudem selbst, wenn er meint, Hamburg billige das Prinzip der
olkssouveränetät; — Volkssouveränetät und Aristokratie sind unvereinbare
Gegensätze. Der von Rehm a. a. 0. 393, 394 konstruierte Gegensatz zwischen
Lübeck und Hamburg einerseits, Bremen andererseits (erstere beide seien
Aristokratien, Bremen eine Demokratie) findet weder im Recht noch im
Leben und der Praxis der drei Staaten einen Anhalt; die Begründung („die
Untertanen in Bremen werden nicht, wie in Hamburg und Lübeck, von der
Verfassung Staatsangehörige, sondern Stastsgenossen genannt“) ent-
behrt jeder berzeugungskraft. Gegen Rehm treffend Lüders AnnDR 1912 8
nm, 24,
ı Lüb. Verf. Art. 4, Hamb. Verf. Art. 6, Brem. Verf. 8 56. Dem-
entsprechend die herrschende Mehrheit in der Literatur; vgl. Schulze, DStR
1 503£, v. Melle, Hamb. StR 39 ff, Wolffson, Hamb. StR 11, Hanfft, Das
Verordnungsrecht des Hamburger Senats (1900) 51; Sievers, Brem. StR 71,
Bollmann, Brem. StR und VR 18ff.,, Klüßmann, Lüb. StR 44. — Es besteht
nicht nur kein Bedürfnis, einen besonderen Träger der Staatsgewalt in der
Gesamtheit des Volkes zu konstruieren, wie Grotefend $$ 724 und 725 tut,
sondern eine derartige Auffassung würde sowohl den ausdrücklichen Be-
stimmungen , der Verfassungen als der historischen Entwicklung wider-
sprechen. [Ähnlich wie Grotefend Seelig, Hamburgisches Staatsrecht auf
eschichtlicher Grundlage (1902), 49, 50: „Inhaber der Staatsgewalt“ in
amburg sei der mit dem Bürgerrecht ausgestattete Bruchteil des Staats-
volkes und sei Hamburg demgemäß den Staaten der Volkssouveränität zu-
zurechnen. „Praktisch“ aber (a. a. O. 60) habe der Senat die Stellung
eines nur durch die konstitutionellen Rechte der Bürgerschaft gefesselten
Monarchen, der im konstitutionellen Alleinbesitz der Staatsgewalt sei. Vgl.
auch Seelig im WStVR 2328. Nicht nur für Hamburg, sondern für alle drei
Hansestädte wird die Ansicht, daß das Volk, d, h. die Gesamtheit der im
Besitze der politischen Rechte befindlichen Bürger, Träger der Staatsgewalt
sei, vertreten von Lüders AnnDR 1912 7 fl.
e A.M. Gotthard B. Brandis, Das Kyrion in der Hamburger Verfassungs-
geschichte (1911).