38 Einleitung. $ 11.
Die öffentlichen Rechte zerfallen in drei Gruppen:
1. Die Freiheit von staatlicher Einwirkung innerhalb einer
bestimmten individuellen Rechtssphäre;
2. Ansprüche auf gewisse positive Leistungen des Staates;
3. das Recht, als Organ des Staates zu fungieren oder an
der Bildung staatlicher Organe teilzunehmen (sogenannte staats-
bürgerliche oder politische Rechte®®).
ll. Die Begründung der öffentlichen Rechte erfolgt, da
Staat und einzelne sich nicht als gleichberechtigte Subjekte gegen-
überstehen, nicht durch Vertrag’. Vielmehr entstehen dieselben:
6 Diese drei Arten von öffentlichen Rechten unterscheidet auch Jellinek,
System 87, 94ff. Sachlich übereinstimmend die Einteilung von Anschütz,
Enzyklop. 87ff. Dagegen kann die Befreiung von staatsbürgerlichen Pflichten
nicht, wie Dantscher v. Kollesberg a. a. O. Liefer. 3 3ff, will, als eine be-
sondere Kategurie von Rechten angesehen werden.
° Jellinek, System 41 ff. stellt folgende Theorie der subjektiven öffent-
lichen Rechte auf: Die subjektiven Privatrechte charakterisieren sich
dadurch, daß bei ihnen Können und Dürfen vereinigt sind; das sub-
jektive öffentliche Recht enthält dagegen ein Können ohne Dürfen.
Es beruht nicht auf erlaubenden, sondern auf Recht verleihenden Rechts-
sätzen. Das subjektive Öffentliche Recht ist eine persönliche Quali-
fikation, untrennbar von der Person, ein status. Nach Maßgabe der drei
erwähnten Gruppen öffentlicher Rechte werden dann negativer, positiver und
aktiver (politischer) Status unterschieden. Diese Charakterisieruug der Öffent-
lichen Rechte trifft für die politischen Rechte vollständig zu, dagegen nicht
für die beiden anderen Gruppen. Das Recht auf eine Freiheit der indivi-
duellen Rechtssphäre von staatlicher Einwirkung besteht viel mehr in einem
Dürfen als ineinem Können. Und die Ansprüche auf positive Leistungen
des Staates (Gewährung von Rechtsschutz, von Schutz nach außen) können
nicht wohl als eine persönliche Qualifikation aufgefaßt werden. — O Mayer,
V.R. 1 110, 112 ff. charakterisiert die subjektiven Öffentlichen Rechte der
einzelnen als rechtliche Macht über die öffentliche Gewalt.
Diese Auffassung ist zu verwerfen, da der Staat über die Individuen,
nicht aber die Individuen über den Staat herrschen. Auf die beiden
ersten Gruppen subjektiver Rechte, von denen übrigens O. Mayer die erstere
nicht anerkennt, findet seine Theorie gar keine Anwendung, da diese den
Charakter bloßer Ansprüche auf Handlungen oder Unterlassungen des Staates
haben. Aber selbst für die politischen Rechte ist sie nicht zutreffend.
Dem Staate gegenüber können die einzelnen, welche derartige Rechte be-
sitzen, nur verlangen, als „staatliche Organe anerkannt oder zur Bildung
staatlicher Organe zugelassen zu werden. Herrschaftsrechte üben sie nur
gegenüber den Untertanen aus, und auch diese Herrschaftsrechte stehen
nicht ihnen persönlich, sondern dem Staate zu. Vgl. auch Jellinek,
Verw.Arch. 5307 ff. [In der französischen Ausgabe seines Verwaltungsrechts
(Le droit administratif allemand, Paris 1903), 1 140, hat O. Mayer den
mindestens mißverständlichen Satz von der Macht des Individuums über die
öffentliche Wewalt dahin eingeschränkt, daß er das subjektive öffentliche
Recht definiert als „pouvoir juridique sur l’exercice de la puissance
N Das läßt sich eher hören; vgl. auch Jellinek, System 2. A.
52 N 1.
? Übereinstimmend: v. Gerber, St.R. ($ 6) 17 N. 11; Haenel, Vertrags-
mäßige Elemente 35; Zorn, St.R. 1 105; Hinschius in MarquardsensH.B. d.
öffentl. R. 1ı 277; Gierke, SchmollersJ. 7 1156; Grotefend, Preuß. Ver-
waltungsr. 1 53; Dantscher v. Kollesberg a. a. Ö. Lief. 8 76. Vgl. auch
Entscheidungen des preußischen Oberverwaltungsgerichtes 80 269. And.