Full text: Lehrbuch des Deutschen Staatsrechts.

490 Zweiter Teil. Zweites Buch. $ 124. 
Kaiser — steht nach dem Wortlaut der RV (Art. 7) eine Initia- 
tive im Bundesrat nicht zu. Eine solche hat sich jedoch gewohn- 
heitsrechtlich entwickelt!!. Sie wird durch den Reichskanzler 
ausgeübt]. 
Für die verschiedenen Sitzungsperioden des Bundesrates 
gilt das Prinzip der Kontinuität, so daß Geschäfte, welche 
in der einen nicht erledigt sind, in der folgenden an demselben 
Punkte, an welchem sie stehen geblieben, wieder aufgenommen 
werden. 
Eine bestimmte Zahl für die Beschlußfähigkeit de 
Bundesrates schreibt die Reichsverfassung nicht vor. Es ist also 
jede erschienene Zahl von Vertretern beschlußfühig. Jeder Be- 
vollmächtigte kann sich für die Abstimmung den Bevollmächtigten 
eines anderen Staates substituieren ?, Nicht vertretene oder nicht 
instruierte Stimmen werden nicht gezählt. Die Beschluß- 
fassung erfolgt mit einfacher Stimmenmehrheit, bei Stimmen- 
gleichheit gibt die Präsidialstimme, d. h. die Stimme Preußens, 
den Ausschlag!*. [Die elsaß-lothringischen Stimmen werden nicht 
gezählt, wenn Preußen nur durch den Hinzutritt dieser Stimmen 
die Mehrheit für sich erlangen oder den Ausschlag geben würde!®.] 
ıı DieRV, Art.7, kennt nur eine Initiative der „Mitglieder des Bundes“. 
Für völkerrechtliche Verträge und Rechnungsangelegenheiten ist die kaiser- 
liche Initiative durch die Stellung des Kaisers notwendig gegeben. Dieselbe 
hat sich aber auch für Gesetzentwürfe ausgebildet (Haenel, Organisatorische 
Entwicklung 42; G. Meyer, Anteil der Reichsorgane 93; Frormann im ArchÜfR 
14 80ff. Vgl. auch Poschinger, Fürst Bismarck und der Bundesrat 4 36. 
Wie im Text ferner: Jellinek, Staats]. 536, 537, Loening, Grundzüge 63, An- 
schütz, Enzykl. 99, Bornhak, ArchÜffR 26 385, Triepel, Unitarısmus und 
Föderalismus 63, Perels in der Haenel-Festschrift von 1907, 255, Rosenthal, 
Reichsregierung 73, Neuerdings erkennt auch, Laband das kaiserliche 
Initiativrecht an: StR 1 (5. Aufl.) 238, 239 und JbÖfR1 16, 17 (vel, dagegen 
StR 1, 4. Aufl., 217). — Gegen die kaiserliche Initiative Seydel, Komm. zu 
Art.7 N.VI, v.Jagemann, RV 87, 88 und Graßmann im ArchÜffR 11 338 ft., 
deren Ausführungen sich zwar mit den Bestimmungen der RV in Einklang 
befinden, welche aber die inzwischen eingetretene gewohnheitsrechtliche 
Entwicklung übersehen. 
182 RevGO 8 2. 
ı8 RV Art. 7 Abs. 3 Satz 2. Vgl. dazu v. Jagemann a, a, O0. 89, 84, 
Anschütz, Enzykl. 99. 
14 RV Art. 7 Abs. 3 Satz 3. — Das Recht, bei Stimmengleichheit den 
Ausschlag zu geben, ist ein spezielles Vorrecht Preußens und geht nicht auf 
den jeweiligen Vorsitzenden, z. B. den den Reichskanzler vertretenden 
bayerischen Bevollmächtigten, über. Vgl. Laband 1 283 N. 3; Seydel im 
Jahrb. a.a.0. 281, Komm. zu Art. 7 Nr. VII; H. Schulze a. a. 0.66, Wester- 
kamp, Staatenbund und Bundesstaat 289; Frormann a. a. 0. 40ff. Anderer 
Ansicht: R. v. Mohl 236. 
 RV Art. 6a Abs. 2. Mi dazu Laband 2 237 ff; Rehm, Das 
Reichsland Elsaß-Lothringen (1912) 33, 34. [Der Zweck der Bestimmung 
ist, zu verhindern, daß die Einrichtung der elsaß-lothringischen (vom 
Statthalter, einem Untergebenen des Kaisers instruierten!) Bundesrats- 
kt” faktisch als Verstärkung der Stellung Preußens im Bundesrat 
wirkt.
	        
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