Die Organe. $ 129. 507
mit steigender Bevölkerung nicht von selbst; die Vermehrung
bedarf eines besonderen Gesetzes®. Ein solches Gesetz ist bisher
nicht ergangen.]
Die Länder zerfallen in Wahlkreise. Jeder Abgeordnete
wird in einem besonderen Wahlkreise gewählt. Die Wahlkreise
müssen, mit Ausnahme der Exklaven, räumlich abgegrenzt und
tunlichst abgerundet sein?. Die Abgrenzung der Wahlkreise er-
folgt durch Reichsgesetz. Bis zum Erlaß eines solchen sollen nach
Bestimmung des Reichswahlgesetzes die bisherigen !° Wahlkreise
beibehalten werden. Nur diejenigen, welche damals noch nicht
örtlich abgegrenzt und zu einem räumlich zusammenhängenden
Bezirke abgerundet waren, mußten schon für die nächsten Wahlen
den reichsgesetzlichen Erfordernissen entsprechend hergestellt
werden !!. Die Wahlkreise sind zum Zweck der Stimmabgabe in
kleinere Bezirke (Wahlbezirke) eingeteilt, welche möglichst
mit den Ortsgemeinden zusammenfallen sollen, sofern nicht bei
volkreichen Gemeinden eine Unterabteilung erforderlich wird.
Wer das Wahlrecht in einem Wahlbezirke ausüben will, muß in
demselben, oder im Falle eine Gemeinde in mehrere Wahlbezirke
geteilt ist, in einem derselben zur Zeit der Wahl seinen Wohnsitz
haben. Jeder darf nur an einem Orte wählen.
Die Wahl ist direkt. Sie erfolgt durch absolute Stimmen-
mehrheit aller in einem Wahlkreise abgegebenen Stimmen. Stellt
sich bei der ersten Wahl eine absolute Stimmenmehrheit nicht
heraus, so ist in der engeren Wahl unter den zwei Kandidaten
zu wählen, welche die meisten Stimmen erhalten haben. Bei
Stimmengleichheit entscheidet das Los.
Die Wahl ist geheimk, Das Wahlrecht wird in
Lauenburgs mit Preußen der eine Abgeordnete für Lauenburg der Zahl der
preußischen Abgeorineton hinzugetreten.
se RWG 2 Abs. 2.
® Diese Bestimmung ist mit spezieller Rücksicht auf Mecklenburg,
wo die ursprüngliche Feststellung der Wahlkreise mit Zu delegung der
Einteilung des Landes in Domanium, ritterschaftliche Besitzungen und
Städte bewirkt worden war, in das WG aufgenommen worden.
10 Gemeint sind die Wahlkreise, welche zum Zweck der ersten Reichs-
tagswahlen durch Anordnung der Landesregierungen gebildet worden waren.
Die Grenzen dieser Wahlkreise können also nur durch RG geändert werden.
11 Dieser Vorschrift ist durch das Bundesratsreglement vom 28. Mai
1870 (WRegl) entsprochen worden. In dem Reglement und dessen
Nachträgen findet sich ein Verzeichnis der jetzt bestehenden Wahlkreise. In
Elsaß-Lothringen erfolgt die Abänderung der Wahlkreise bis zur reichsgesetz-
lichen Bestimmung durch Beschluß des Bundesrates (RG vom 25. Juni 1878
9 Helgoland ist durch Beschluß des Bundesrates einem Wahlkreise der
rovinz Schleswig-Holstein zugeteilt worden (RG vom 15. Dez. 1899 $ 4,
Bek. vom 16. Mai 1891)
k Hieraus wird vielfach gefolgert, daß der Reichstagswähler darüber,
wen er gewählt hat, vor Gericht das Zeugnis verweigern dürfe: Seydel,
Komm. 194, v. Jagemann 122, Dambitsch 400. Da aber die Prozeßordnungen
die Voraussetzungen und den Umfang des Zeugnisverweigerungsrechts er-
schöpfend regeln ohne des Wahlgeheimnisses zu gedenken, ist diese Ansicht