Full text: Lehrbuch des Deutschen Staatsrechts.

Die Organe. $ 132. 513 
durch die Abteilungen; diese sind jedoch verpflichtet, wenn über 
die Gültigkeit einer Wahl Zweifel entstehen oder wenn Proteste 
oder Einsprachen gegen eine Wahl vorliegen, die Akten an die 
Wahlprüfungskommission abzugeben. Die definitive Entscheidung 
erfolgt durch das Plenum des Reichstages®,. 
Der Reichstag wählt seinen Präsidenten, seine Vize- 
präsidenten und Schriftführer‘. Der Präsident ernennt 
zwei Quästoren für das Kassen- und Rechnungswesen’, 
Die Vorlagen können sowohl vom Bundesrate als auch 
von Mitgliedern des Reichstags ausgehen. Die vom Bundesrat be- 
schlossenen Vorlagen ist der Kaiser verpflichtet, nach Maßgabe 
der Beschlüsse desselben an den Reichstag zu bringen®. Er kann 
die Einbringung weigern, wenn der Beschluß des Bundesrats in 
formell verfassungswidriger Weise gefaßt ist, dagegen nicht wegen 
materieller Bedenken gegen den Inhalt desselben?. Gesetzent- 
würfe unterliegen einer dreimaligen Beratung. Nach Beendi- 
gung der ersten Beratung wird darüber Beschluß gefaßt, ob eine 
Kommission mit der Vorberatung betraut werden soll. Anträge 
von Reichstagsmitgliedern, welche keine Gesetzentwürfe enthalten, 
bedürfen nur einer einmaligen Beratung und Abstimmung. 
Dagegen können Anträge des Bundesrates, auch wenn sie nicht 
Gesetzentwürfe sind, diesem abgekürzten Verfahren nur mit Zu- 
stimmung des Bundesrates unterworfen werden!‘., Die Wahl 
der Kommissionen erfolgt nominell durch die Abteilungen ’!; tat- 
sächlich beruht die Bildung derselben auf Vereinbarung der Frak- 
tionen. | 
Der Präsident leitet die Verhandlungen und handhabt die 
Disziplin!®. Er hat das Recht, ein Mitglied wegen gröblicher 
Verletzung der Ordnung für die betreffende Sitzung auszu- 
schließen 12. Ihm steht die Handhabung der Polizei im Sitzungs- 
welcher zutreffend betont, daß der Reichstag kraft Art. 27 RV auch das 
Recht hat, jederzeit zu prüfen, „ob die Legitimation fortdauert, ob ein 
Abgeordneter Sitz und Stimme verloren hat, gleichviel aus welchen Gründen 
der Verlust geschieht,“ 
8° RV Art, 27, GO 88 3—. Vgl. Seydel, Ann. 986 ff. 
® RV Art. 27, GO S8 9—15. 
760 5 16. 
8 RV Art. 16. 
® So die herrschende Meinung: Haenel, Organisatorische Entwicklung 
der RV 45 ff.; Laband, 227 N.1., Kl. A. 121; Fischer, Recht des deutschen 
Kaisers 156: Frormann im ArchÖffR 14 50 ff.; G. Meyer, Anteil der Reichs- 
organe 72ff.; Seydel, Komm. 176; Zorn, StR 1 410. Auch Reichskanzler 
Fürstv.Bismarck hat trotz eines entgegenstehenden Präzedenzfalles die 
grundsätzliche Richtigkeit dieser Ansicht nicht bestritten (Reichstagssitzung 
vom 24. Febr. 1881, Sten. Ber. 1 30; vgl. auch Gedanken und Erinne- 
rungen 2 307). 
1 GO 85 17—25. 
1 GO 8 26. 
12 GO 88 13, 60, 61. 
18 Reichstagsbeschluß vom 16. Febr. 1895 [Antrag Roeren).
	        
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