514 Zweiter Teil Zweites Buch. $ 132.
gebäude und in den Zuhörerräumen zub. Die Vertretung der
Vorlagen des Bundesrates im Reichstage geschieht durch Mit-
glieder desselben oder durch von ihm (nicht vom Kaiser) er-
nannte Kommissare!*. Jedes Mitglied des Bundesrates hat das
Recht, im Reichstage zu erscheinen® und muß daselbst auf Ver-
langen jederzeit gehört werden, um die Ansichten seiner Regie-
rung zu vertreten, auch dann, wenn dieselben von der Majorität
des Bundesrates nicht adoptiert worden sind 15. Den Kommissaren
des Bundesrates und den Assistenten der Bundesratsmitglieder ist
das Recht, jederzeit gehört zu werden, durch die Reichsverfassung
nicht eingeräumt, wohl aber hat dasselbe eine ausdrückliche An-
erkennung in der Geschäftsordnung des Reichstages gefunden !*,
Die betreffenden Personen haben jedoch ebenso wie die Mitglieder
des Hauses die Befugnis, zu reden, erst, nachdem ihnen vom
Vorsitzenden das Wort erteilt ist, sie können nicht verlangen,
während ein anderer Redner spricht, und während der Abstimmung
zum Worte zugelassen zu werden. Die Bundesratsbevollmächtigten
stehen, da sie nicht Mitglieder des Reichstages sind, noch sein
können (RV Art. 9), nicht unter der Disziplin des Präsidenten !,
Doch hat letzterer die Befugnis, sie zum Zwecke der Geschäfts-
leitung zu unterbrechen!®. Das den Abgeordneten zustehende Privileg
b GO $ 62. Zwangsmittel und eigene Vollzugsorgane zur Ausführung
seiner „polizeilichen“ Anordnungen stehen dem Präsidenten nicht zu. Das
Recht der ordentlichen Polizeibehörden, im Reichstagsgebäude ohne Requisi-
tion des Präsidenten, Handlungen vorzunehmen, die ihres Amtes sind (z.B.
Durchsuchungen, Beschlagnahmen, Verhaftungen), wird durch $ 62 nicht aus-
geschlossen. So: Seydel, AnnDR 1880 411; Perels, Autonomes Reichstags-
recht 102; Schmid, ArchOHR 32 570; a.M. Hubrich, Parlamentarische Rede-
freiheit 430 ff., 439 ff.: Gerichtssaal 71 127 ff.; Müller-Meiningen, AnuDR 1996
659. Vgl. auch oben $ 105 8. 375.
14 RV Art. 16. [Tatsächlich erfolgt die Vertretung stets durch den
Reichskanzler oder durch die sachlich zuständigen Stellvertreter desselben.]
© Auch die stellvertretenden Mitglieder des BR ß l.oben $ 123 Anm. d)
haben das Recht aus Art. 9. Dieses Recht ist keine ficht., Vgl, Pohl, Der
Pundesratebevollmächtigte im Reichstag (Festschrift für Zitelmann von
913) If.
15 RV Art. 9. Vgl. Pohl, a. a. O. 23 fl.; Dambitsch, RV 260.
16 GO 8 43. Dazu Perels, Autonomes Reichstagsrecht 86, 92; Vogels,
Staatsrechtliche Stellung der Bundesratsbevollmächtigten (1911) 35; Pohl,
2.2.0. 5, 6. .
17 Vgl. die Außerungen des Präsidenten Simson in der Sitzung vom
14. Mai 1873, Sten. Ber. 1 655; v. Rönne, StR des Deutschen Reiches 1
283 N. 2; R. Schleiden, Die Disziplinar- und Strafgewalt parlamentarischer
Versammlungen 152 ff., 259 ff.; Seydel, Ann. 414, Komm. zu Art. 27 Nr, III;
Zorn, ä. a. O. 237 N. 56.
18 Auch dies bestreitet Arndt, RStR 151, 152. [Gegen ihn, vollkommen
überzeugend, Schmid, ArchÜffR 32 489 fl. Wie oben: Pohl, a. a. O. 27;
Vogels, a. a. O. 37. Die Praxis des Reichstags pestattet dem Präsidenten,
Bundesratsmitglieder zu unterbrechen, um sie auf die parlamentarische Sitte
aufmerksam zu machen (z.B. ihnen zu sagen, daß ein von ihnen gebrauchter
Ausdruck im Munde eines Abgeordneten den Ordnungsruf zur Folge gehabt
haben. würde). Beispiele bei Pohl, a. a. 0. 20 ff. Vgl. im übrigen Schmid,
ArchÜFfR 82 480 ff. und oben 367, 368.)