520 Zweiter Teil. Zweites Buch. 8 133.
erhielt folgende Fassung: „Die Mitglieder des Reichstages dürfen
als solche keine Besoldung beziehen. Sie erhalten eine Ent-
schädigung nach Maßgabe des Gesetzes.“
Die Reichstagsmitgliedschaft gilt noch heute als ein Ehren-
amt, dessen Träger für die bloße Tatsache der Innehabung des
Amtes und die Erfüllung der durch dasselbe bedingten Pflichten
nicht bezahlt wird noch bezahlt werden darf. So ist es auf-
zufassen, wenn Art. 32 nach wie vor jede „Besolduug“ der Ab-
geordneten verbietet. Besoldung im Sinne dieser Vorschrift ist
jede Vermögenszuwendung, welche jemandem dafür gewährt wird,
daß er Mitglied des Reichstags ist, einerlei, ob die Zuwendung
Geld oder Geldeswert zum Gegenstande hat, ob sie in periodisch
wiederkehrenden Zahlungen oder in einer einmaligen Überweisung
erfolgt, einerlei ferner, ob der Zusammenhang der Zuwendung mit
der parlamentarischen Tätigkeit des Empfängers ausdrücklich aus-
gesprochen ist oder aus den Umständen hervorgehtl, einerlei
endlich, ob die Zuwendung aus einer öffentlichen (Staats-, Ge-
meinde-) Kasse oder aus Privatmitteln (insbesondere aus einer
Parteikasse) bestritten wirdm. Die Übertretung des Verbotes hat
weder Strafe noch sonstige Rechtsnachteile zur Folgen, ist also
insoweit eine lex imperfecta. Gleichwohl ist sie nicht wirkungs-
los. Die Rechtsfolgen der Übertretung bestimmen sich nach dem
allgemeinen bürgerlichen Recht. Ein Rechtsgeschäft, in welchem
einem Reichstagsabgeordneten eine Besoldung für seine Tätigkeit
als solcher versprochen oder zugesichert wird, ist nach $ 134 BGB
nichtig, mithin auch unklagbar. Der Abgeordnete, welcher eine
mit Art. 32 im Widerspruch stehende Zuwendung annimmt, ver-
stößt gegen ein gesetzliches Verbot, ist also gemäß $ 817 BGB
zur Herausgabe verpflichtet. Diese Herausgabepflicht wird sich
aber Seitens des Leistenden niemals realisieren lassen. Denn die
Rückforderung ist nach $ 817 a. a. O. ausgeschlossen, wenn dem
Leistenden derselbe Verstoß zur Last fällt wie dem Empfänger;
dies trifft stets zuo. Begeht eine Gemeinde oder eine andere
! A, M. die Voraufl. (S. 457): „Nur solche Zuwendungen, bei denen
ausdrücklich ausgesprochen ist, daß sie dem Betreffenden in seiner Eigen-
schaft als Reichstagsmitglied gemacht werden sollen, sind durch die RV aus-
geschlossen.“ Dagegen mit Recht Dambitsch, a. a. O. 478.
m Daß sich das Verbot des Art.32 Satz 1 gegen die öffentlichen Kassen
wendet ist unbestritten; daß es sich auch auf Zahlungen aus Privatmitteln
beziehe ist herrschende Meinung (vgl. Laband, StR 1860 ff.; Zorn, StR 1 234;
Seydel, Komm. 216 (früher a. M.); Dambitsch 477, RGZ 16 88 fi.); daß es
Zahlungen aus Privatmitteln gestatte, wird nur von wenigen Schriftstellern
behau ig (Thudichum, VR 208; v. Rönne, StRDR 1 280 fl.; Joel in AnnDR
13 1r.\,
n Insbesondere auch nicht den Verlust des Mandate. A.M. Thudichum
a. a. OÖ. 209 (Annahme einer dem Art. 32 zuwiderlaufenden Zuwendung sei
Verzicht auf das Mandat); gegen ihn Laband, StR 1 (4. Aufl.) 335 N. 1;
Arndt, StR 144.
o Laband, 1 862; v. Buchka, DJZ 6 242. Der Leistende kann also