Die Organe. $ 138. 543
letzteren Kreisdirektoren. Die conseils gendraux wurden „Bezirks-
tage”, die conseils d’arrondissement „Kreistage“ genannt. An
Stelle der französischen Präfekturräte traten Bezirksräte: kollegia-
lische Behörden, bestehend aus dem Bezirkspräsidenten und den
ihm beigegebenen höheren Beamten. Als Beschwerdeinstanz für
die verwaltungsgerichtlichen Entscheidungen der Bezirksräte
wurde (an Stelle des französischen Staatsrats) eine Kollegial-
behörde unter dem Namen „Kaiserlicher Rat“ gebildet.
2. Die Periode des konstitutionellen Zentralis-
mus. Nach Hinausschiebung des anfänglich geplanten Termins
um ein Jahr (RG vom 25. Juni 1873, betreffend die Einführung
der Verfassung des Deutschen Reichs in Elsaß- Lothringen) trat
die RV im Reichslande am 1. Januar 1874 in Kraft. Dies be-
deutet das Ende der absolutistischen Diktaturperiode. Es tritt
das System der Gewaltenteilung ein. Das Land wird konstitu-
tionell, andererseits aber auch streng zentralistisch regiert: rein
als Provinz des Reichs und zwar als eine Provinz, “lie vorerst
noch jeder Selbständigkeit entbehrt, eine Provinz ohne eine auch
nur den Schein von Autonomie erweckende besondere Provinzial-
regierung. Die maßgebenden Faktoren befinden sich nicht im
Lande, sondern in Berlin. Nicht Spezialorgane, sondern die ge-
meingültigen Organe des Reichs, Bundesrat und Reichstag, geben
dem Lande Gesetze: nicht nur, wie selbstverständlich, Reichs-
gesetze, welche für das gesamte Reich erlassen werden, sondern
auch „Landesgesetze“, d. h. solche, deren Gegenstand außerhalb
der gemeingtltigen Reichszuständigkeitk liegt und deren Geltun
sich auf das Reichsland beschränkt. Kein besonderer Provinzial-
minister des Kaisers für Elsaß-Lothringen, sondern volle und aus-
schließliche Verantwortlichkeit des Reichskanzlers auch
für diesen Zweig der kaiserlichen Regierungstätigkeit. Der Ein-
fluß der reichsländischen Bevölkerung auf die Regierung ihres
Landes beschränkt sich auf die Entsendung von fünfzehn Ab-
geordneten in den Reichstagl; im Bundesrate ist Elsaß - Loth-
ringen, da es kein Gliedstaat des Reiches ist, nicht vertreten.
3. Das vorstehend (2) geschilderte System ist dann in den
Jahren 1877, 1879 und 1911 ohne Veränderung der staatsrecht-
lichen Grundprinzipien derart modifiziert worden, daß die elsaß-
lothringischen „Landesangelegenheiten“, d.h. diejenigen Angelegen-
heiten, welche, wenn Elsaß-Lothringen ein selbständiger Staat des
Reiches wäre, die Zuständigkeit dieses Staatesm bilden würden,
nicht mehr (wie in der voraufgehenden zentralistischen Periode)
durch die gemeingültigen, sondern durch besondere Organe des
Reichs besorgt werden, welche im Reichslande ihren Sitz haben
k Oben $ 80; Anschütz, Enzykl. 70.
ı G. vom 25. Juni 1873 8 8.
m — nach allgemeinen Grundsätzen; vgl. darüber oben $ 80.
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