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seiner ministeriellen Eigenschaft ist der Statthalter nicht Stell-
vertreter, sondern Rechtsnachfolger des Reichskanzlers; der Reichs-
kanzler hat seit Einsetzung des Statthalters (1879) auf die elsaß-
lothringische Landesregierung staatsrechtlich keinen Einfluß mehr,
wie er auch für die Tätigkeit dieser Regierung nicht mehr ver-
antwortlich ist. In die gleiche Reihe gehört ferner — weil un-
mittelbar auf dem Gesetz (VG $ 2 Abs. 3) beruhend — das
Recht des Statthalters, die reichsländischen Bevollmächtigten zum
Bundesrate zu ernennen und zu instruieren,. Für die Ausübung
der bisher erwähnten Funktionen ist der Statthalter rechtlich und
olitisch (insbesondere auch dem Landtage) verantwortlich, er be-
darf also keiner anderweiten Deckung und ministeriellen Mitwir-
kung. Dies gilt insbesondere auch für die Ernennung und In-
struierung der Bundesratsbevollmächtigtenf.
Die Funktionen der zweiten Reihe stehen nicht jedem Statt-
halter kraft Gesetzes, sondern nur dem Statthalter zu, welchem
und solange sie ihm der Kaiser durch besonderen Akt delegiert.
Solche Delegation ist zugelassen durch $ 3 des Verfassungsgesetzes:
„Der Kaiser kann dem Statthalter landesherrliche Befugnisse
übertragen. Der Umfang dieser Übertragung wird durch Kaiser-
liche Verordnung bestimmt, die vom Reichskanzler gegenzuzeichnen
ist.“ Landesherrliche Befugnisse sind solche, welche dem Kaiser
kraft seiner Eigenschaft als Träger der Staatsgewalt oder kraft
besonderer gesetzlicher Bestimmungen (insbesondere auch auf
Grund von Vorschriften der im Reichslande noch geltenden franzö-
sischen Gesetze, welche gewisse Verwaltungsakte dem Staatsober-
haupt übertragen bzw. vorbehalten) zustehen. Die Delegierung
ist, wie der Wortlaut des Gesetzes („kann“) zeigt, nicht obligato-
risch, sondern fakultativ. Die delegierende Verordnung und jede
Abänderung derselben ist vom Reichskanzler gegenzuzeichnen, gilt
also, wie die Ernennung und Abberufung des Statthalters (oben
549), als Akt der Reichs-, nicht der Landesregierung und ist, wie
alle kaiserlichen Verordnungen in allgemeinen Reichsangelegen-
ı Y ] £ Die Bundesratsinstruktionen bedürfen also nicht der Gegenzeichnun
des Staatssekretäre.. Richtig Rehm a, a. O. 24. Anders die Praxis (nach
Rehm a. a. O. N. 1) und die herrsch. Meinung (Laband 245; Fischbach 51;
Vogels, DJZ 16 981, weil die Instruierung der Bundesratsstimmen ein
landesherrliches Recht“ sei. Ob sie das ist, kann dahingestellt bleiben, da
die Gegenzeichnung des Staatssekretärs nur für solche „landesherrlichen“
Anordnungen des Statthalters vorgeschrieben ist, welche der Statthalter als
ersönlicher Delegatar des Kaisers („Vizekaiser“, vgl. oben im Text) erläßt;
5 Bei Ernennung und Instruierung der Bundesratsbevollmächtigten
andelt der Statthalter aber nicht als Delegatar des Kaisers, sondern un-
mittelbar auf Grund des Gesetzes: VG $2 Abs. 3. Der Statthalter ist also,
wie für alles, was er gemäß $ 2 VG tut und anordnet, so auch für die In-
struierung der Bundesratsbevollmächtigten dem Landtage verantwortlich.
Doch braucht er diesbezügliche Anfragen und Interpellationen im Landtage
nicht selbst zu beantworten, sondern kann die Beantwortung seinem Ver-
treter, dem Staatssekretär, überlassen. A. M. Vogels, a. a. O. 982.