Die Organe. $ 14la. 559
das Schutzgebiet gilt grundsätzlich nicht als deutsches Inland,
sondern als Auslandb, soweit nicht das Gesetz für einzelne Be-
ziehungen ein anderes bestimmte, oder das Gegenteil sich aus der
Natur der Sache ergibtd. Die Bewohner der Schutzgebiete sind
als solche nicht Deutsche, sie sind dies insbesondere durch den
Erwerb des betreffenden Gebiets seitens des Reichs nicht geworden.
Sie können, abgesehen von den allgemeinen Vorschriften des Reichs-
und Staatsangehörigkeitsgesetzes vom 22. Juli 1913, die Reichs-
angehörigkeit nur durch Verleihung erlangen, welche — in diesem
Falle ohne gleichzeitige Mitbegründung einer Landesangehörigkeit,
als „unmittelbare Reichsangehörigkeit“ — vom Reichskanzler
oder der von ihm bezeichneten Behörde erteilt wirde,
Das SchGG bestimmt im $ 1 Abs. 1: „Die Schutzgewalt in
den deutschen Schutzgebieten übt der Kaiser im Namen des Reichs
aus.“ „Schutzgewalt“ ist, wie oben dargelegt, nur ein anderes
Wort für Staatsgewalt. Die Schutzgewalt ist die souveräne
Staatsgewalt des Deutschen Reichs, wie sie sich betätigt in den
Schutzgebieten. Der Kaiser ist also kraft $ 1 Abs. 1 SchG@
Träger der Staatsgewalt, wie in Elsaß-Lothringenf,
doch reicht seine Macht in den Schutzgebieten viel weiter als im
Reichslande, weil einmal seine trägerschaftliche Kompetenz sich in
Elsaß-Lothringen nur auf die sogenannten „Landesangelegenheiten“
(oben $ 139 S. 548), in den Schutzgebieten aber auf alle An-
gelegenheiten erstreckt, und weil sie ferner im Reichslande durch
Gewaltenteilung und Parlament konstitutionell beschränkt, in den
Schutzgebieten dagegen von solchen Beschränkungen grundsätzlich
frei ist. Der Kaiser übt in den Schutzgebieten alle Hoheitsrechte,
nicht nur die vollziehende, sondern auch die richterliche und die
gesetzgebende Gewalt aus; und zwar übt er sie allein aus, soweit
ihm nicht durch Reichsgesetz Schranken gezogen sind. Solche
Schranken ergeben sich:
1. aus der Verantwortlichkeit des Reichs-
kanzlers. Auch bei Handhabung der kolonialen Schutzgewalt
ist der Kaiser, wie bei Ausübung aller ihm sonst zustehenden
Regierungsfunktionen, an die verantwortliche Mitwirkung des
b Vgl. oben $ 74 8. 238 und die dort N, 10 zit. Literatur; dazu noch
Zedow im HbdP, 2. Aufl. 2 633 ff.; Anschütz, Enzykl. 121; Bassen, Z£KolP
1906, 594 fi., 615; v. Boeckmann, Die Geltung der RV in den deutschen Kolo-
nien (1912).
cZ. B. SchGG $ 9 Abs. 8, Reichs- und StaatsangehG 8 2 Abs. 2,
G. über die Konmlargerichtabarkeit vom 7. April 1900 8 26 (gilt in den
Schutzgebieten: Sch 8 9).
4 Z2.B.: andern Staaten gegenüber sind die Sehutzgebiete deutsches
Land, also Inland: Angrifie fremder Mächte auf die Schutzgebiete sind An-
iffe auf deutsches Inland, — wenngleich nicht auf das Bundesgebiet im
inne von RV Art. 1 und Il Abs. 2. ,
e Vgl. oben $& 76 8. 258. H. Hauschild, Die Staatsangehörigkeit in den
Kolonien (1906).
f Vgl. oben $ 139 8. 548.
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