596 Zweiter Teil. Zweites Buch. $ 146.
(Steuerforderung, Polizeiverfügung) gesetzlich gerechtfertigt sind
oder nicht. Die Verantwortlichkeit für letzteres trifft nicht den,
der die Verfügung zu vollziehen, sondern allein den, der sie er-
lassen hat, also nicht den Untergebenen, sondern den Vorgesetzten.
Der Untergebene hat hiernach, wenn er seinerseits von Ver-
antwortlichkeit frei bleiben will, einfach und pünktlich zu ge-
horcheni. Gewisse Punkte hat er jedoch zu „prüfen“, d. h.
unter eigener Verantwortlichkeit zu untersuchen und festzustellen.
Nämlich:
— 1. ob das, was sich als Dienstbefehl gibt, wirklich ein
solcher ist und als solcher gemeint ist. Was der Vorgesetzte als
Privatmann sagt, ist kein Dienstbefehl, Erfüllung von Privat-
wünschen des Vorgesetzten nicht Dienstsache;
— 2. ob der Befehl von dem dazu Befugten, von dem Vor-
gesetzten ausgeht. Jeder Beamte ist verpflichtet und dafür ver-
antwortlich, zu wissen, wer sein Vorgesetzter ist;
— 3. ob im gegebenen Falle ein Dienstbefehl überhaupt er-
teilt werden durfte. Soweit das Gesetz (oder ein höherer Dienst-
befehl) den Beamten in bezug auf gewisse Feststellungen und
Entscheidungen selbständig und unabhängig stellt, legt
es ihm auch eine eigene Verantwortlichkeit auf, der er durch
Berufung auf geleisteten Dienstgehorsam nicht entgehen kannk.
Am weitesten reicht die dienstliche Selbständigkeit bei den
Ministern (sie umfaßt hier den ganzen amtlichen Wirkungskreis)
demnächst bei den richterlichen Beamten: dem Richter kann
kein Vorgesetzter befehlen, wie er zu urteilen hat. Andere Bei-
spiele: die Prüfungskommission entscheidet unter eigener Ver-
antwortlichkeit über den Ausfall der Prüfung, die Ersatzkommission
über die Tauglichkeit des Militärpflichtigen; die Vollziehungs-
beamten des Justiz- und Verwaltungsdienstes sind dienstlich selb-
ständig in bezug auf die Feststellung, ob die ihnen zur Voll-
streckung übergebenen Titel (Gerichtsurteil, Zahlungsbefehl, Haft-
befehl, Steuerzettel) die gesetzlich vorgeschriebenen Formen auf-
weisen;
— 4. ob die Handlung oder Unterlassung, welche den Gegen-
stand des Befehls bildet, nicht einem Strafgesetzl, oder auch
nur einem einfachen Verbotsgesetz’ ohne Strafdrohung, zu-
i Von allen deutschen Beamtengesetzen spricht diesen einfachen Grund-
satz am klaraten aus das bayerische, Art. 12 Abs. 1: „Der Beamte hat den
Dienstbefehlen seiner Vorgesetzten zu gehorchen. Soweit er im Vollzug eines
Dienstbefehles handelt, trifft die dienstliche Verantwortung den anordnenden
Vorgesetzten.“
k Dieses Moment ist am besten zum Ausdruck gebracht bei O. Mayer,
VR 2 239 ff. Übereinstimmend mit ihm Anschütz, Enzykl. 150.
I Gehorsam gegen den erteilten Dienstbefehl ıst also kein Straf-
ausschließungsgrund. Nicht oder doch nicht restlos gilt dies für Militär-
personen, vgl. tMilStrGB 8 47. Vgl. O. Mayer, a. a. O. 237 N. 8.
m So insbesondere, in Anlehnung an ALR 1, 6 $ 45 („Wer den Befehl
dessen, dem er zu gehorchen schuldig ist, vollzieht, kann in der Regel zu