52 Einleitung. $ 14.
Kompetenz, nicht Teilung der Rechtsmacht über die Kompetenz,
nicht Teilung der Souveränetät.
Die Kompetenzverteilung kann auf sehr verschiedene Weise
erfolgen; die Art, wie sie geschieht, ist für das Wesen des Bundes-
staates nicht maßgebend. Der Begriff des Bundesstaates trägt das
Postulat einer bestimmten Kompetenzverteilung nicht in sich.
Insbesondere kann man nicht sagen, daß nach diesem Begriff die
Bundesgewalt auf die Erzeugung des Rechts, die Gesetzgebung,
beschränkt, der Vollzug der Gesetze dagegen, wie überhaupt alle
ausführende (verwaltende) Tätigkeit den Einzelstaaten zu über-
lassen seil.
Bund und Staaten stehen nicht wie zwei selbständige und
gleichberechtigte Gemeinwesen nebeneinander m; die Staaten sind
vielmehr Glieder eines höheren, sie beherrschenden staatlichen Ver-
bandes: der Korporation „Bundesstaat“. Die Bundesgewalt kann
Gesetze erlassen, welche die Einzelstaaten zu befolgen verpflichtet
sind und kann sich naclı Maßgabe dieser Gesetze der Einzelstaaten
als solcher und ihrer Organe zur Durchführung ihrer Anordnungen
bedienen. Sie kann aber für diese Durchführung nach ihrem
Belieben sich auch eigene Organe, Bundesbehörden, besetzt mit
Bundesbeamten, schaffen.
Die sachliche Unbeschränktheit des Wirkungs-
kreises, welche dem Einheitsstaate zusteht, besitzen im Bundes-
staate weder die Staaten noch der Bund. Beide haben nur eine
beschränkte Kompetenz. Die Erweiterung der Kompetenz
des Bundes kann nur durch einen Akt der Bundesgewalt statt-
finden. Soweit die Bundeskompetenz auf der Bundesverfassung
(z. B. im deutschen Reiche: R.V. Art. 4, vgl. unten $ 80) beruht,
erfordert die Erweiterung der Kompetenz eine Abänderung der
Bundesverfassung, deren Vornahme den Organen des Bundes zu-
stehtn. Freilich ist dieser Aktin den verschiedenen Bun.lesstaaten
einem Schriftsteller, der selbst vor der Verwendung privatrechtlicher Ana-
logieen im Staatsrecht zu warnen für nötig erachtet (a. a.O. 1102).
I Dies ist die Ansicht von Rümelin, Z.StaataW. 89 202.
m Wie Waitz, Politik 161 fl., 213 behauptet, dessen Theorie in diesem
Punkte von O. Mayer, V.R. 2 462 ff., Arch.Off.R. 18 340 Anm. 6 wieder auf-
genommen ist.
n Haenel, Vertragsmäßige Elemente 65, 241 fl., Deutsches Staatar. 1 221
Zorn, 2.StaatseW. 87 314: Liebe, Staatsrechtliche Studien 40: Jellinek,
System 307 .; Mejer, Einleitung 24; Brie, Theorie der Staatenverbindungen
104 ff.; Le Fur, Etat Federal 5W ff. G. Meyer wollte nicht zugeben (6. A.
14 N. 11), daß die Alleinzuständigkeit der Bundesgewalt zur Regelung
er Kompetenzverhältnisse die dem Begriffe des Bundesstaates einzig ent-
sprechende Einrichtung sei. Das war ein Irrtum: die Bundesgewalt ist den
Finzelstaaten egenüber souverän, sie wäre das aber nicht, wenn sie nicht
Rechtsmacht über ihre Kompetenz besäße. Ein Bundesverhältnis, in dem
die Bundeskompetenz nicht von der Bundesgewalt eigenmächtig bestimmt,
sondern dieser Gewalt „durch übereinstimmenden Beschluß der Einzel-
staaten“ (6. A. S. 47) vorgeschrieben wird, ist kein Bundesstaat, sondern,
wegen der Souveränetüt der Einzelstaaten, ein Staatenbund,