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falls mit dem Ausdruck „Gesetzgebung“ und versteht unter
Autonomie nur die Rechtserzeugung der engeren Korporationen
und Verbände innerhalb der Kirche (Gemeinden, Kapitel,
Klöster usw.).
2. In bundesstaatlichen Verhältnissen besteht ein Unter-
schied zwischen Bundes- (Reichs-) und Staats- (Landes -) gesetz-
gebung. Die Gesetze der Einzelstaaten sind den Bundesgesetzen
untergeordnet; da aber der Bund nur eine beschränkte Herrschaft
besitzt, so bezieht sich die Unterordnung lediglich auf die Ge-
biete der Bundeskompetenz. Auch im deutschen Staatsrecht ist
zwischen Reichsgesetzgebung und Landesgesetzgebung zu unter-
scheiden 4.
8. Im konstitutionellen Staate unterscheidet man
Gesetze und Verordnungen. Gesetze (im formellen Sinne)
sind diejenigen allgemeinen Anordnungen, welche unter Mitwirkung
der Volksvertretung erlassen werden. Unter diesen Gesetzen
nehmen die Grundgesetze oder Verfassungen eine be-
sonders hervorragende Stellung ein. Grundgesetz oder Ver-
fassung heißt diejenige Urkunde, welche die Grundzüge der öffent-
lichen Rechtsordnung enthält und für deren Abänderung er-
schwerende Formen bestehen. Ihr gegenüber werden alle anderen
Gesetze als einfache Gesetze bezeichnet. Verordnungen da-
gegen sind diejenigen allgemeinen Anordnungen, welche, ohne
daß dabei eine Mitwirkung der Volksvertretung stattfindet, ledig-
lich von den Organen der Regierung ausgehen. Die Verfassungen
bilden eine Schranke für die Ausübung der Gesetzgebung, die
Gesetze für die Ausübung der Verordnungsgewalt. Einfache Ge-
setze dürfen der Verfassung, Verordnungen den Gesetzen nicht
widersprethen.
[IIl. Neben den materiellen Gesetzesbegriff (oben 639)
hat die moderne Staatsentwicklung einen formellen gestellt:
Gesetz gleich Akt der Legislative. „Legislative“ aber
* Laband, Staatsrecht des Deutschen Reiches 1 $ 54 S. 11 bezeichnet
auch die Staats esetzgebung der Einzelstaaten im Bundesstaate als Auto-
nomie. Ihm schließen sich Zorn, StR 1 111 und P. Hensel, AnnDR 1882 22
an. Diese Bezeichnung widerspricht jedoch einem hergebrachten Sprach-
ebrauch. Auch darf nicht überschen werden, daß die Landesgesetzgebung
der deutschen Einzelstaaten bedeutende Verschiedenheiten von der Autonomie
der Kommunalverbände aufweist. \Während diese der Staatsgesetzgebung
unbedingt untergeordnet ist, besteht die Unterordnung der Landesgesetz-
ebung unter die Reichsgesetzgebung nur auf den Gebieten der Reichs-
ompetenz. Während die autonomische Tätigkeit der Kommunalverbände
sich ausschließlich auf die Regelung der eigenen Verhältnisse der betreffen-
den Gemeinwesen erstreckt, kann Gegenstand der Landesgesetzgebung auch
die Ordnung der Rechtsbeziehungen der einzelnen Individuen zueinander
sein. Die übliche Bezeichnung der rechtserzeugenden Tätigkeit der Staaten
als Gesetzgebung erscheint demnach auch innerlich gerechtfertigt. Überein-
stimmend: H. Schulze, LehrbDStR 1 516, Preuß. StR 26; Rosin, Das
Polizeiverordnungsrecht in Preußen 68 N. 1; Jellinek, a.a.0.259 ff.; Gierke,
Deutsch. PrivR I 148.