650 Zweiter Teil. Drittes Buch. $ 156.
die Stände eine Teilnahme an der Gesetzgebung beanspruchten,
der Landesherr sich weigerte, dieselbe zuzugestehen®. Nur in
ganz einzelnen Ländern, in welchen sich die ständische Verfassung
in voller Kraft erhielt, wurde das Zustimmungsrecht der Stände
zu allen Gesetzen anerkannt®. In anderen beschränkte sich das
ständische Recht der Einwilligung auf solche Gesetze, welche die
eigenen Rechte und Freiheiten der Stände betrafen, während die
anderen nur der ständischen Beratung unterlagen’, In denjenigen
Ländern endlich, in welchen die ständische Verfassung vollständig
in Verfall geraten war, bestand ein unbeschränktes Gesetzgebungs-
recht des Landesherrn®. Die Juristen des siebzehnten und acht-
kein Recht auf „Konkurrenz bei der Gesetzgebung“ hatten, ist auch die
Meinung Thomas, Der Vorbehalt des Gesetzes im preuß. VerfR, Festgabe
für O. Mayer (1916) 175.) .
5 So z. B. in Württemberg (Wächter, Handbuch des im Königreich
Württemberg geltenden Privatrechtes Bd. I Abt. 1, Stuttgart 1839, 147 ff.;
R. v. Mohl, Württ. StTRS 2 N. 8), in Mecklenburg (Böhlau, Meckl. LR
1 (1871) ” 15, 20 N. 5), in Hessen (Roth und v. Maibom, Kurhecss,
PrivR 1 (1858) S 21 N. 24 und $ 26 N. 8), in Bayern (Seydel, Bay.
StR (2. Aufl.) 1 15), in Hannover: E. v. Meier, Hannöv. Verf. und Verw.-
Gesch. 1 264.
6 So z.B. in Ostfriesland (J. J. Moser, Von der Landeshobeit in
Regierungssachen 390). [Die altwürttembergische Verfassung stellt in
ihrer endgültigen Gestalt — Erbvergleich von 1770 — fest, daß aus der
landesfürstlichen Hoheit die „potestas leges ferendi deriviere“, die gesetz-
gebende Gewalt also Sache des Landesherm sei; jedoch wird den Ständen
zugesichert, daß „hauptsächliche Abänderungen an den allgemeinen
Landesordnungen® nicht ohne Einwilligung des sogenannten kleineren
ständischen Ausschusses vorgenommen werden sollen. Vgl. Wächter, a.a.O.
150, Fricker und v. Gessler, Geschichte der Verfassung Württembergs 126,
127. Nach letzteren ist der tatsächliche Einfluß der württembergischen
Stände auf die landesherrliche Gesetzgebungsgewalt sehr gering gewesen
und von den Staaten auch selbst „nuffallend niedrig taxiert worden.“ Ahn-
lich lagen die Verhältnisse zuletzt (Anfang des 19. Jahrhunderts) in Kur-
sachsen: O. Mayer, Sächs. StR 7, vgl. auch (die folgende Anm.]
ı Für Mecklenburg bestimmte der Landesgrundgesetzliche Erb-
vergleich vom 18. April 1755 S 191 ff. folgendes: Im landesherrlichen
Domanium besteht ein unbeschränktes Gesetzgebungsrecht des Landesherrn.
Diejenigen Gesetze, welche die gesamten Lande mit Inbegriff der Ritter- und
Landschaft angehen, teilen sich in zwei Klassen: solche, welche die wohl-
erworbenen Rechte der Ritter- und Landschaft berühren, und solche, bei
denen dies nicht der Fall ist (sogenannte gleichgültige Gesetze). Erstere
dürfen nicht ohne der Ritter- und Landschaft ausdrückliche Bewilligung er-
lassen werden, über letztere sollen die Ritter- und Landschaft oder wenigstens,
wenn periculum in mora, die Landräte und der Engere ‚Ausschuß_mit ihren
ratsamen Bedenken und Erachten vernommen werden. Ahnliche Grundsätze
galten im 17. und 18. Jahrhundert in Kursachsen (K.H.v. Römer, Staats-
recht und Statistik des Kurfürstentums Sachsen T. Il, Halle 1788, 354 ff.;
Fricker, Sächs. StR 12; [in den letzten ständischen Zeiten erlitt das Mit-
wirkungsrecht der Stände noch eine weitere Abschwächung, vgl. O. Mayer,
Süche, StR 7) und Hannover (E,v.Meier, Hannöv. Verf. und Verw.-Gesch.
1 260 ff.).
8 (So vor allem im brandenburgisch- preußischen Staate.e Nach dem
ALR, 11 13 $6 ist die gesetzgebende Gewalt ein „Majestätsrecht“, d:h. ein
ohne jede ständische Konkurrenz vom Landesherrn auszuübendes Recht.)