Full text: Lehrbuch des Deutschen Staatsrechts.

Die Funktionen. 8 157. 655 
— anschließend an den Sprachgebrauch der vorkonstitutionellen 
Zeit, welche einen formellen Begriff des Gesetzes noch nicht 
kannte, auch nicht kennen konnte (oben $ 156). Jene Bestimmungen 
enthalten und bewirken ein Zweifaches: sie setzen die neue kon- 
stitutionelle Legislative ein (definieren also insofern den Begriff 
des konstitutionellen, formellen Gesetzes), und bestimmen gleich- 
zeitig den Umfang der dieser Legislative ausschließlich vor- 
behaltenen Zuständigkeit, dahingehend, daß Gesetze im materiellen 
Sinne, Normen, welche das Recht des Landes ändern, Rechts- 
vorschriften, nur von der Legislative (= als formelle 
Gesetze), von andern Faktoren des Staates dagegen, insbesondere 
von dem Monarchen und den ihm unterstellten Verwaltungsorganen 
grundsätzlich nicht, d.h. nur mit Ermächtigung der Legislative 
erlassen werden dürfen. Der Weg der Verordnung ist also, 
soweit es sich um den Erlaß von Rechtsvorschriften handelt, 
prinzipiell ausgeschlossen (vgl. unten $ 159 S. 668 ff... KRechts- 
vorschriften, Rechtssätze, sind, dem oben ($ 155 II) entwickelten 
Begriffe des materiellen Gesetzes entsprechend, alle Normen, welche 
die Willensmacht mehrerer Willensträger gegenseitig abgrenzen 
und hierdurch die Rechte (das Dürfen und Können) und Pflichten 
(das Sollen und Müssen) eines jeden bestimmen und begrenzen. 
Willensträger in diesem Sinne sind einerseits der Staat, anderer- 
seits die Individuen; die Rechtssätze sind daher teils solche, welche 
die Willenssphäre des Staates gegenüber den Individuen, teils 
solche, welche die Willenssphären der Individuen unter sich ab- 
grenzen (öffentliches Recht — Privatrecht). Gegenstand der for- 
mellen Gesetzgebung sind demnach nicht nur etwa einzelne, 
von der Verfassung aufgezählte Kategorien von Rechtssätzen, 
sondern alle: überall da, wo der Rechtsstand der Individuen, 
sei es im Verhältnis unter sich, sei es im Verhältnis zum Staat, 
anderweit bestimmt werden will, ist grundsätzlich ein formelles 
Gesetz erforderlich. Im Gegensatz zu diesen Rechtssätzen, Rechts- 
vorschriften, stehen diejenigen staatlichen Vorschriften, welche, 
ohne in den Rechtsstand der Individuen oder des Staates ein- 
zugreifen, lediglich die Einrichtungen und das Verfahren der 
Staatstätigkeit ordnen (Verwaltungsvorschriften i. w. S.). Sie sind 
keine Gesetze im materiellen Sinne und können, soweit nicht 
durch formelles Gesetz ein anderes bestimmt ist, im Verordnungs- 
wege, also ohne Mitwirkung der Volksvertretung erlassen werden, 
(vgl. das Nähere unten $ 159). — 
Nicht anders als in den vorstehend betrachteten Staaten, d.h. 
denjenigen, deren Verfassungen „die gesetzgebende Gewalt“ dem 
Zusammenwirken von Monarch und Volksvertretung übertragen 
bezw. die Zustimmung der letzteren für „jedes Gesetz“ fordern, 
ist die Zuständigkeit der Legislative abgegrenzt in denjenigen, 
welche die Form des Gesetzes fordern für alle Normen, 
welche „die Freiheit der Rersonen und das Eigen- 
tum“ betreffen. Der Sinn dieser in mehreren deutschen 
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