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zur Ausübung ihres Initiativrechts aufzufordern, d. h. im Wege
der Petition oder Resolution auf Einbringung eines Gesetzentwurfs
anzutragen.. Wo Zweikammersystem besteht, besitzen beide
Kammern das Recht der Initiative. Die Regierung kann ihre
Gesetzvorschläge nach Belieben entweder in der ersten oder in
der zweiten Kammer, auch in beiden zugleich einbringen. Nur
hinsichtlich der Finanzgesetze besteht meist die Verpflichtung, sie
zuerst der zweiten Kammer vorzulegen® Wo eine solche Vor-
schrift existiert, muß auch das Initiativrecht der ersten Kammer
auf dem Gebiete der Finanzgesetzgebung für ausgeschlossen er-
achtet werden”,
Das dem Landtag zustehende Initiativrecht kann nur von
ihm bzw. seinen beiden Kammern als solchen, nicht aber durch
die einzelnen Landtagsmitglieder ausgeübt werden. Anträge auf
Erlassung oder Abänderung von Gesetzen, welche von Landtags-
mitgliedern oder Gruppen von solchen innerhalb des Landtags
gestellt werden, sind keine Gesetzvorschläge im Sinne der Ver-
fassung, sie werden erst zu Gesetzvorschlägen, wenn der Landtag
bzw. die betreffende Kammer sie angenommen hat. Sie unter-
liegen nicht den in manchen Verfassungen (z.B. der preußischen,
Art. 64 Abs. 2) enthaltenen Vorschriften, wonach Gesetzvorschläge,
welche durch den Landtag oder die Regierungen verworfen worden
sind) in derselben Sitzungsperiode nicht wieder vorgebracht werden
ürfen®.
IM uf Grund des Gesetzvorschlags erfolgt die Fest-
stellung des Gesetzesinhaltes, d. h. dessen, was Gesetz
werden soll, durch Vereinbarung des Monarchen (der Regie-
rung) und des Landtags. Die Rechte der beiden — beim Zwei-
kammersystem drei — vereinbarenden Faktoren sind in diesem
Stadium des Verfahrens grundsätzlich gleich. Keiner von ihnen
kann beanspruchen, daß die andern sich seinem Willen fügen.
Jedem Faktor, beim Zweikammersystem also jeder Kammer des
Landtags steht das Recht zu, den ihnen vorgelegten Gesetzentwurf
nicht nur im ganzen zu verwerfen, sondern auch zu „amendieren“,
d. h. abzuändern oder zu ergänzen und die Zustimmung zu dem
5 v. Gerber $ 46 8. 149 N. 2; H. Schulze, Preuß, StR 2 $ 171 S. 20,
LehrbDStR 18185 8.524; Bornhak, Preuß. StR 1525, 526; Schwartz, a.a.O.
204 ff.; Fleischmann, Weg der Gesetzgebung 15 ff.; Anschütz, Enzykl. 156;
Schoen im HdbdPol 1 2837. — Das Recht der Regierung, einen Gesetz-
entwurf gleichzeitig beiden Kammern vorzulegen, bestreitet v. Rönne, Preuß,
StR (4. Aufl.) 1 $S 89 S..360, ebenso v. Roenne-Zorn B 14,
‚© Vgl, 8 97 S. 336, 337 Anm. 5, 6. Über den Begrift des „Finanz-
esetzes*, insbesondere im Sinne der preuß. Verf. Art.62 Abs. vgl. v. Roenne-
orn, a. a. O. 8 13; Arndt, Komm. z. preuß. Verf. (7. Aufl.) 261; Schwartz,
a. a. O. 204; Fleischmann, a. a. O0. 1008. und DJZ 12 734 fi.
? v. Rönne, Preuß. StR (4. Aufl.) a. a. O. 359; H. Schulze, Preuß. StR
8 171; Schwartz, a. a. O. 218; Fleischmann, a. a. O. 108 ff. Anderer An-
sicht v. Roenne-Zorn 8 13; Bornhak, a. a. O. 1 524; Arndt, a. a. O. 267.
8 Übereinstimmend v. Roenne-Zorn 8 11, 12.