Full text: Lehrbuch des Deutschen Staatsrechts.

660 Zweiter Teil. Drittes Buch, 8 158. 
zur Ausübung ihres Initiativrechts aufzufordern, d. h. im Wege 
der Petition oder Resolution auf Einbringung eines Gesetzentwurfs 
anzutragen.. Wo Zweikammersystem besteht, besitzen beide 
Kammern das Recht der Initiative. Die Regierung kann ihre 
Gesetzvorschläge nach Belieben entweder in der ersten oder in 
der zweiten Kammer, auch in beiden zugleich einbringen. Nur 
hinsichtlich der Finanzgesetze besteht meist die Verpflichtung, sie 
zuerst der zweiten Kammer vorzulegen® Wo eine solche Vor- 
schrift existiert, muß auch das Initiativrecht der ersten Kammer 
auf dem Gebiete der Finanzgesetzgebung für ausgeschlossen er- 
achtet werden”, 
Das dem Landtag zustehende Initiativrecht kann nur von 
ihm bzw. seinen beiden Kammern als solchen, nicht aber durch 
die einzelnen Landtagsmitglieder ausgeübt werden. Anträge auf 
Erlassung oder Abänderung von Gesetzen, welche von Landtags- 
mitgliedern oder Gruppen von solchen innerhalb des Landtags 
gestellt werden, sind keine Gesetzvorschläge im Sinne der Ver- 
fassung, sie werden erst zu Gesetzvorschlägen, wenn der Landtag 
bzw. die betreffende Kammer sie angenommen hat. Sie unter- 
liegen nicht den in manchen Verfassungen (z.B. der preußischen, 
Art. 64 Abs. 2) enthaltenen Vorschriften, wonach Gesetzvorschläge, 
welche durch den Landtag oder die Regierungen verworfen worden 
sind) in derselben Sitzungsperiode nicht wieder vorgebracht werden 
ürfen®. 
IM uf Grund des Gesetzvorschlags erfolgt die Fest- 
stellung des Gesetzesinhaltes, d. h. dessen, was Gesetz 
werden soll, durch Vereinbarung des Monarchen (der Regie- 
rung) und des Landtags. Die Rechte der beiden — beim Zwei- 
kammersystem drei — vereinbarenden Faktoren sind in diesem 
Stadium des Verfahrens grundsätzlich gleich. Keiner von ihnen 
kann beanspruchen, daß die andern sich seinem Willen fügen. 
Jedem Faktor, beim Zweikammersystem also jeder Kammer des 
Landtags steht das Recht zu, den ihnen vorgelegten Gesetzentwurf 
nicht nur im ganzen zu verwerfen, sondern auch zu „amendieren“, 
d. h. abzuändern oder zu ergänzen und die Zustimmung zu dem 
5 v. Gerber $ 46 8. 149 N. 2; H. Schulze, Preuß, StR 2 $ 171 S. 20, 
LehrbDStR 18185 8.524; Bornhak, Preuß. StR 1525, 526; Schwartz, a.a.O. 
204 ff.; Fleischmann, Weg der Gesetzgebung 15 ff.; Anschütz, Enzykl. 156; 
Schoen im HdbdPol 1 2837. — Das Recht der Regierung, einen Gesetz- 
entwurf gleichzeitig beiden Kammern vorzulegen, bestreitet v. Rönne, Preuß, 
StR (4. Aufl.) 1 $S 89 S..360, ebenso v. Roenne-Zorn B 14, 
‚© Vgl, 8 97 S. 336, 337 Anm. 5, 6. Über den Begrift des „Finanz- 
esetzes*, insbesondere im Sinne der preuß. Verf. Art.62 Abs. vgl. v. Roenne- 
orn, a. a. O. 8 13; Arndt, Komm. z. preuß. Verf. (7. Aufl.) 261; Schwartz, 
a. a. O. 204; Fleischmann, a. a. O0. 1008. und DJZ 12 734 fi. 
? v. Rönne, Preuß. StR (4. Aufl.) a. a. O. 359; H. Schulze, Preuß. StR 
8 171; Schwartz, a. a. O. 218; Fleischmann, a. a. O. 108 ff. Anderer An- 
sicht v. Roenne-Zorn 8 13; Bornhak, a. a. O. 1 524; Arndt, a. a. O. 267. 
8 Übereinstimmend v. Roenne-Zorn 8 11, 12.
	        
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