Die Funktionen. $ 158. 663
Der Landtag hat an der Sanktion keinen Anteil, sie steht
dem Monarchen ausschließlich zu. Als Regierungsakt bedarf sie
ministerieller Gegenzeichnung. Gegenstand der Sanktion kann nur
der ganze mit dem Landtage vereinbarte Gesetzesinhalt sein:
sie kann nur ganz erteilt oder ganz verweigert, nicht aber teil-
weise gegeben werden. Unzulässig ist es auch, sie mit Neben-
bestimmungen (Bedingungen, Befristungen, Auflagen) zu verbinden.
Der Monarch ist niemals rechtlich verpflichtet, die Sanktion zu
erteilen, er hat das — formell unbeschränkte — Recht, die Sank-
tion zu verweigernb. In diesem Recht ist das mindere Recht ent-
halten, die Sanktion zur Zeit zu verweigern, sie aufzuschieben,
und zwar beliebig lange, es sei denn, daß das Gesetz die Er-
teilung bzw. Versagung der Sanktion ausdrücklich an bestimmte
Zeitschranken bindet, etwa durch die Vorschrift, daß die Sanktion,
wenn sie nicht bis zu einem gewissen Zeitpunkte erteilt ist, als
verweigert gilt“. Zurücknahme der Sanktion ist zulässig, aber
Gesetz wird. So Laband, StR 2 29 ff., dem sich v. Seydel (val. v. Serdel-
Filoty, Bayr. StR 1838 ff); Zorn, StR 1 411; v. Roenne-Zorn, Preuß, SIR 8
41; Änschütz, Enzykl. 157; Schoen, a. a. O. 288, 239; Fleischmann, a. a. O.
34 ff. und viele andere angeschlossen haben. Keinen wesentlichen Unter-
schied von der Laband’schen Ansicht bedeutet es, wenn Jellinek, Ges. u.
Verord. 316 und G. Meyer, — Voraufl. $ 157 Anm. 4 — hervorheben, daß
der Landtag nicht nur über den Gesetzesinhalt zu beschließen, sondern auch
dem Gesetzesbefehl (also der Sanktion) seine Zustimmung zu erteilen habe.
Denn wenn der Landtag der bevorst-henden Sanktion lediglich zuzustimmen,
d. h. zu erklären hat, ob die Sanktion erfolgen dürfe, so ist er doch eben
bei der Sanktion selbst nicht beteiligt, diese steht dem Monarchen aus-
schließlich zu. Abweichend von Laband (und Jellinek) dagegen Lukas, Die
rechtliche Stellung des Parlaments (1901) 111 ff., 120 ff. und Kelsen, Haupt-
probleme der Staatsrechtslehre 416 ff. Gegen Lukas: Laband, ArchÜfR
17 5891.
b Das ist heute ganz unbestritten. Lit. vgl. in der Voraufl. $ 158 N. 15.
Die Erteilung und Verweigerung der Sanktion ıst also Ermessenssache. Das
dem Monarchen zustehende freie Ermessen ist aber hier wie stets so zu
handhaben, daß dadurch dem Staate kein Nachteil erwächst; die Minister
sind entsprechend verantwortlich und können die Verantwortlichkeit für die
Verweigerung der Sanktion durch den Monarchen nicht etwa a limine ablehnen,
weil es sich um ein nach Ermessen auszuübendes Kronrecht handle. Vgl.
oben 8 84 S. 278 und Bismarck, Ged. u. Erinn. 2 306, 307.
© In Bayern muß die königliche Sanktion spätestens bei Schluß der
Versammlung im Landtagsabschiede verweigert oder erteilt werden (G. betr.
den Geschäftsgang des Landtages, vom 19. Jan. 1872 Art. 40). Bei Gesetz-
entwürfen, welche aus der Initiative der Stände hervorgehen, darf jedoch
der König seine Entschließung um ein Jahr verlängern (G., die ständische
Initiative betr., vom 4. Juni 1848 Art. 7. Nach dem S.-Kob.-Goth. StGG
s108 gilt die Bestätigung des Herzogs als verweig‘rt, wenn die Publikation
es Gesetzes nicht binnen 8 Wochen von der Zeit an gerechnet, wo der Be-
schluß des Landtages der Regierung mitgeteilt ist, erfolgt. Weitere partikular-
rechtliche Einzelheiten führt an Müller ın den AnnDR 1904305. Die ıneisten
Verfassungen und Landesgesetze enthalten iiber die vorliegende Frage keine
Bestimmungen. Die Meinungen der Schriftsteller gehen auseinander.
v. Roenne, Preuß. StR (4. Aufl.) 1 392 (anders jetzt v. Rnenne-Zorn 8 19, 43,
44) behauptet, die Sanktion müsse spätestens bis zum Beginn der Sitzungs-
periode erfolgen, welche auf die Session, in welcher die Zustimmung des
andtags zu dem Gesetz erteilt wurde, folgt, da mit diesem Zeitpunkte die